Bundesliga-Kommentar: Eisern Union Hauptstadt Meister

12.04.2022
Olympiastadion in Berlin

Hertha BSC ist im freien Fall. Die „alte Dame“ hinkt am Stock Richtung Zweite Liga: Nach der 1:4-Derbyschlappe im proppenvollen Olympiastadion gegen Union Berlin ist die Stimmung am Gefrierpunkt. Das Retter-Image von Felix Magath hat nach einem Sieg und zwei Niederlagen schon empfindliche Kratzer erlitten. Nach seinem guten Einstand beim 3:0 gegen Hoffenheim ist Hertha leistungsmäßig wieder da, wo sie unter Magath-Vorgänger Tayfun Korkut dilettierten. So „spielen“ Absteiger, urteilt Horst Konzok in seinem Bundesliga-Kommentar.

 

Herthas Wasserkopf

Bezeichnend für Herthas Verfassung, dass Torhüter Marcel Lotka bei der Derby-Blamage bester Spieler seiner Mannschaft war. Lotka, 20 Jahre jung, ist in Herthas Torhüter-Hierarchie eigentlich die Nummer fünf nach Alexander Schwolow (29), Oliver Christensen (23), Rune Jarstein (37) und Oliver Körber (25). Lotka hatten die Hertha-Bosse trotz eines hierarchischen Wasserkopfs irgendwie vergessen. Er geht im Sommer ablösefrei zu Borussia Dortmund II – verschenktes Eigenkapital. Da ist erst einmal Sportvorstand Fredi Bobic.  Dessen Allmacht ließ Sportdirektor Arne Friedrich resignieren. Er warf die Brocken hin. Bobic hatte Friedrichs Arbeitsbereich durch Kaderplaner Dirk Dufner beschnitten. Dann gibt’s Chefscout Babacar Wane, Akademie-Leiter Pablo Thiam, Matthias Borst (Spielkonzeption), Sebastian Zelichowski (Technischer Direktor), Analyst Gabor Ruhr und Teammanager Thomas Westphal. Lotka hatte keiner auf der Rechnung. 

 

Eisern Union auf Erfolgskurs

Eisern Union hat beide Derbys in dieser Saison gewonnen und Hertha auch im DFB-Pokal eliminiert. Die Köpenicker zeigen dem selbst ernannten „Big City Club“ wie Planung geht, wie Mannschaften geformt werden. Union lebt auch von seiner besonderen Fan-Kultur in dem seit 18 Jahren von Dirk Zingler als Präsident geführten Klub aus dem Osten Berlins. Mit Oliver Ruhnert, seit 2017 im Verein, beförderte Zingler einen exzellenten Scout zum Sportchef. Der Fraktionschef der Linken im Stadtrat von Iserlohn steht für den Erfolgskurs der Eisernen.

 

Traum und Alptraum

Der Bruch zwischen dem Hertha-Anhang und den Profis ist kaum mehr zu kitten. Nach der Derby-Blamage forderten die Ultras die Spieler auf, die Trikots vor der Fankurve auszuziehen. Dem kamen einige nach – eine Demütigung. „Das ist keine Mannschaft“, hat Felix Magath vor den richtungsweisenden Spielen gegen den FC Augsburg, VfB Stuttgart und Arminia Bielefeld geurteilt. Gewagt, wenn der gewesene Meistermacher sagt, ein Relegationsspiel gegen Schalke 04 sei ein Traum. Da werden aus Träumen auch ganz schnell Alpträume. 

 

Text: Horst Konzok (SWFV-Ausschuss für Öffentlichkeitsarbeit)
Bild: GettyImages