Von der SWFV-Auswahl bis ins A-Nationalteam: Laura Freigang

08.01.2021
Laura Freigang - DFB - SWFV

Geboren ist Laura Freigang in Kiel, für Eintracht Frankfurt spielt sie in der FLYERALARM Frauen-Bundesliga. Heimisch aber fühlt sich die 22-Jährige, wie sie selbst sagt, im Südwesten, in Rheinland-Pfalz. Im Bereich des SWFV hat sie mit dem Fußball angefangen, hier hat sie auch die ersten Schritte in Richtung einer Profikarriere gemacht. In diesem Jahr gab sie ihr Debüt in der A-Nationalmannschaft, für die sie bei ihren ersten zwei Einsätzen bereits ein Tor erzielt hat.

 

Als Laura Freigang drei Jahre war, zog die Familie nach Rheinhessen, schon ein Jahr danach begann sie bei den Bambini des FSV Oppenheim mit dem Kicken. Neun Jahre blieb sie ihrem Heimatverein treu, trat für den FSV bis zu den C-Junioren in allen Nachwuchsklassen an – aber jeweils mit ihren männlichen Alterskollegen. „Die Jungs waren das beste Niveau, das es dort gab“, sagt die Spielerin. An der körperlichen Robustheit ihrer Mitspieler und Gegner wuchs sie. Aber sie gehörte nicht einfach nur zum Kader, war keine Mitläuferin, die nur deshalb bei den Jungs spielte, weil es kein Juniorinnenteam gegeben hätte. „Laura wurde nie als „Mädchen“ gesehen, sondern immer als gleichwertiges Mitglied der Mannschaft“, sagt Markus Diederich. „Wenn wir irgendwo hinkamen, haben sich die Gegner gefreut, weil bei uns ein Mädchen mitgespielt hat, und sie sich deshalb bessere Chancen erhofft haben. Sie wurden aber schnell eines Besseren belehrt.“ Ihr Jugendtrainer hatte Lauras Talent früh erkannt, schildert sie als kleine Persönlichkeit, die immer mit Leidenschaft bei der Sache war. „Man hat sie nie motivieren müssen“, sagt Diederich. „Sie hat immer die Jungs mitgerissen.“ Vor einem Turnier hatte Freigang das Abschlusstraining verpasst und musste deshalb in der zweiten Oppenheimer Mannschaft antreten. Doch auch dieses Team inspirierte das Mädchen mit seinem Ehrgeiz und führte es bis ins Endspiel – gegen die erste Oppenheimer Vertretung. Diederich setzte die junge Spielerin im defensiven Mittelfeld ein, „weil sie gut Bälle erobern und verteilen kann“. Er ist überzeugt, dass dies die beste Position für Freigang sei, auch wenn sie inzwischen in den Angriff gewechselt ist und aktuell mit zehn Treffern aus neun Partien erfolgreichste Torjägerin der Bundesliga ist. Diederich verfolgt ihre Karriere weiter, besucht auch Heimspiele der Eintracht, wenn es sich zeitlich einrichten lässt.

 

Coole Jahre beim TSV Schott Mainz

2011 zog die Familie zurück in den Norden, Laura Freigang schloss sich Holstein Kiel an und spielte drei Jahre für die B-Juniorinnen des Vereins in der Bundesliga Nord/Nordost. „Es war eher eine Zwischenstation“, sagt die Jung-Nationalspielerin in der Rückschau. Sie war gerade 16 geworden, als es wieder zurück ins Rhein-Main-Gebiet ging. Schon damals stand ein Wechsel zum 1. FFC Frankfurt, der im Juli mit der Eintracht fusionierte, im Raum. Doch Freigang entschied sich für den TSV Schott Mainz. „Ich habe mir überlegt, ob ich es in Frankfurt probieren soll“, sagt die 22-Jährige. „Aber von Oppenheim aus brauche ich nur 25 Minuten zum Training nach Mainz und dort spiele ich Zweite Bundesliga.“ Letzteres erwies sich allerdings als Fehleinschätzung. Der TSV hatte sich zwar ohne Punktverlust den Titel gesichert, hatte aber eine Frist verpasst und musste noch einmal in der Regionalliga antreten. Die Schottler wiederholten mit Freigang ihr Husarenstück, gewannen alle 22 Saisonpartien und schafften den Sprung in die Zweite Bundesliga. Das Jahr in der Drittklassigkeit aber hätte die Entwicklung der Spielerin hemmen können. „Wir waren in der Regionalliga allen Teams überlegen“, sagt Freigang. „Da hat die Herausforderung gefehlt.“ Doch es gab Lösungen. Sie trainierte bei den Jungs ihrer ehemaligen Oppenheimer Mannschaft mit und zusätzlich als gerade erst 17-Jährige auch einmal pro Woche bei den Männern des TSV Schott, die damals in der Oberliga angesiedelt waren. Coole Jahre seien das gewesen, erinnert sie sich. „Es ist fast egal, wie alt man ist – körperlich ist man als Frau unterlegen“, sagt Freigang. „Deswegen habe ich bei diesen Einheiten sehr viel mitgenommen, habe gelernt, schnell zu handeln.“ Diese Erfahrung war für sie sehr wichtig.

 

„Ich habe sie nicht als Frau oder Mann wahrgenommen, sondern als Fußballer“, sagt Ali Kayhan Cakici. „Sie hat den Willen gepaart mit ihrer Körperlichkeit mitgebracht.“ Ihr damaliger Trainer war begeistert von ihren läuferischen Fähigkeiten, den technischen Voraussetzungen und ihrem klaren Kopf. Taktische Vorgaben konnte sie schnell umsetzen. Eigenschaften, auf die ein Trainer nur bedingt Einfluss hat, die ein Sportler oder eine Sportlerin mitbringen muss, um erfolgreich zu sein. „Laura hat sich sehr schnell an das Niveau der Männer angepasst“, sagt Cakici. „Das hat sie wachsen lassen.“

 

In der Zweiten Bundesliga spielten die Mainzer Frauen auf Anhieb in der oberen Hälfte mit. „Daran hatte Laura einen großen Anteil“, sagt Cakici. „Sie war immer, auch kurz vor Spielschluss, noch für das eine Ding gut.“

 

USA-Sportstipendium an der Fußball-Uni

Nach dem Abitur am Oppenheimer St.-Katharinen-Gymnasium zog es Freigang aber mit einem Sportstipendium zum Studium der Kommunikationswissenschaft in die USA an die Pennsylvania State University, wo sie sich den Penn State Nittany Lions anschloss. „Das war eine sehr gute Fußball-Uni, in der Vorsaison war das Team amerikanischer Meister geworden“, sagt Freigang. „Ich habe dort viel dazugelernt. Die Amerikaner arbeiten gerade im athletischen Bereich sehr professionell.“ Die Lions spielten kein Kick and Rush, sondern einen sehr europäisch geprägten Kombinationsfußball, aber mit hohem Tempo, zweikampforientiert und körperlich robust. „Das kannte ich ja von den Jungs“, sagt Freigang.

 

Seit 2018 spielt Freigang in Frankfurt, wo sie an der Goethe-Universität auch Sportwissenschaft studiert. Ihr Fokus liegt allerdings auf dem Fußball. „Damit beschäftige ich mich am meisten“, sagt die 22-Jährige. „Da steckt meine Leidenschaft drin.“ In bislang 51 Bundesliga-Einsätzen für den FFC beziehungsweise die Eintracht hat sie bereits 36 Treffer erzielt.

 

In Auswahlmannschaften groß geworden

Das Talent Freigangs blieb auch den Verbandstrainern nicht verborgen. Früh wurde sie in das Juniorinnenteam des SWFV berufen, nahm aber nicht nur am Stützpunkttraining der Mädchen, sondern auch der Jungs teil. „Ich bin in den Auswahlmannschaften groß geworden“, sagt die 22-Jährige. „Der Länderpokal war immer eine Riesensache. Da wächst man als Team echt eng zusammen.“ Noch heute kreuzt sich ihr Weg mit Spielerinnen, mit denen sie damals zusammen antrat. Der Verbandskader war auch das Sprungbrett in die DFB-Auswahl. 2013 debütierte Freigang in der deutschen U15, durchlief danach alle U-Nationalmannschaften. Die deutsche U16-Nationalmannschaft gewann 2014 auch dank ihrer Tore den Nordic Cup, die großen Titel – Welt- oder Europameisterschaften – blieben ihr bislang aber versagt. In insgesamt 56 Partien der Nachwuchsteams schoss sie 31 Tore für Deutschland.

 

„Erstes Tor immer etwas Besonderes“

Freigangs Debüt im Freuen-Nationalteam fiel in eine schwierige Zeit. Als sie am 7. März im Halbfinale des Algarve-Cups gegen Norwegen als Einwechselspielerin ihre Premiere feierte, warf die Corona-Pandemie schon ihre drohenden Schatten voraus. Nur eine Woche später brachte der Lockdown den Sportbetrieb zum Erliegen. Ein Länderspiel gegen England fiel im Oktober aus, im September kam die 22-Jährige im EM-Qualifikationsspiel gegen Montenegro, einem Geisterspiel in Podgorica, zu ihrem zweiten Einsatz. „Mir fehlt noch die Erfahrung, vor einer großen Masse zu spielen.“ Doch sie sieht in der Situation auch die Chance, sich zu beweisen, und freut sich auf jeden Lehrgang.

 

Beim 3:0 in Montenegro erzielte Freigang ihren ersten Treffer für das A-Nationalteam. „Das erste Tor ist immer etwas Besonderes“, sagt die 22-Jährige. „Allerdings habe ich nur ein bisschen die Kurve des Balls abgelenkt. Einerseits ist mir das ein wenig peinlich, andererseits hat es auch einen gewissen Charme.“ Selbstkritisch merkt sie an, dass sie in dieser Partie noch mindestens drei weitere Treffer hätte erziele müssen. Letztlich aber überwiegt für sie das Positive: „Ich konnte von Anfang an spielen. Das war auch cool.“

 

Noch ein anderes Tor hat bei ihr bleibende Erinnerung hinterlassen. Beim 3:1-Sieg in der Bundesliga-Begegnung bei der SGS Essen erzielte sie aus großer Distanz den Endstand. „Ich habe einfach geschossen“, sagt die ehemalige SWFV-Auswahlspielerin. „Das würde ich gerne öfter machen.“ Dafür hat sie bei der Eintracht und in der Nationalmannschaft noch reichlich Gelegenheit.

 

Erschienen im SÜDWEST FUSSBALL (Ausgabe 2/2020). Text von Gert Adolphi

Bild: GettyImages