"Erste Spiele sind immer etwas Besonderes": Fabienne Michel

27.11.2020
Fabienne Michel im Interview

Bereits seit dem Jahr 2017 pfeift die heute 26-jährige Fabienne Michel in der höchsten deutschen Spielklasse im Frauenfußball – der Bundesliga. Seit der Saison 2020/2021 leitet Fabienne Michel auch Männerspiele an der Schwelle zum Profifußball. Im Sommer 2020 durfte sie den Aufstieg in die Regionalliga der Männer als Schiedsrichterin feiern. Im SWFV-Interview spricht Fabienne Michel über die Anfänge ihrer Schiedsrichter-Laufbahn, ihren Aufstieg in die Regionalliga sowie über ihre weiteren Ziele.

 

SWFV: Fabienne, zunächst möchten wir dir zu deinem jüngsten Aufstieg als Schiedsrichterin in die Regionalliga gratulieren. Stell dich den Leser*innen doch bitte zunächst einmal kurz vor.

Michel: Dankeschön! Ich bin Fabienne Michel, 26 Jahre alt und wohne in Mainz. Zurzeit studiere ich an der Hochschule in Mainz und arbeite nebenbei als Werkstudentin bei der Mainzer Volksbank. Ursprünglich komme ich aus Gau-Odernheim und pfeife für den TSV 1881 Gau-Odernheim (Kreis Alzey-Worms).

 

SWFV: Was hat dich dazu bewegt, Schiedsrichterin zu werden?

Michel: Ich war damals Schülerin auf dem Elisabeth-Langgässer Gymnasium in Alzey und habe Fußball gespielt. Es gab eine Projektwoche, in der man die Schiedsrichterprüfung ablegen konnte. Diese Möglichkeit wird auch heute noch angeboten. Günter Thauer, ein ehemaliger Lehrer der Schule, sprach mich damals an und ermutigte mich an dem Projekt teilzunehmen. Mit 13 Jahren absolvierte ich die Schiedsrichterprüfung erfolgreich und habe direkt meine ersten Spiele bekommen.

 

SWFV: Welche Stärken sind für Schiedsrichter enorm wichtig?  

Michel: Neben einer guten Regelkenntnis und Fitness ist zum Beispiel Kritikfähigkeit enorm wichtig. Als Schiedsrichter muss man zum einen mit der aufkommenden Kritik auf dem Platz und von außen umgehen können. Zum anderen ist Kritikfähigkeit nach dem Spiel ebenfalls wichtig, um an verschiedenen Situationen zu arbeiten und sich zu reflektieren. Außerdem würde ich sagen, dass für eine gute Spielleitung die Kommunikation das A und O ist. Kommunikation mit den Spielern, im Team und mit den Trainern und das nicht nur verbal, sondern auch durch Mimik, Gestik und Körpersprache. 

 

SWFV: Welche Stärken müssen insbesondere Frauen im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen aufbringen? 

Michel: Ich glaube, dass man hier keinen großen Unterschied machen sollte. Stärken in Regelkenntnis, Fitness, Kritikfähigkeit und Kommunikation treffen sowohl für Frauen als auch für Männer zu. Es sollte ein professioneller Umgang mit allen Beteiligten gepflegt werden. Dann sollte nicht unterschieden werden, ob ein Mann oder eine Frau auf dem Platz steht.

 

SWFV: Mit 25 Jahren bist du nun in die Regionalliga aufgestiegen. Was bedarf es im Vergleich zur Oberliga, um auch in dieser Spielklasse bestehen zu können?

Michel: Die bisherigen Spiele waren deutlich schneller, es gab mehr Zweikämpfe und persönliche Strafen. Insgesamt stieg die Entscheidungsdichte. Dadurch wird die Zusammenarbeit im Team umso wichtiger. Man kann nicht immer alles hundertprozentig gut überblicken. Dafür sind wir ein Team und können uns gegenseitig unterstützen. Das war vorher natürlich auch schon wichtig, aber je schneller das Spiel wird und je mehr Entscheidungen zu treffen sind, desto mehr muss aufeinander Verlass sein.

 

SWFV: Du durftest bereits ein paar Spiele in der Regionalliga leiten, bevor die Saison im November zunächst unterbrochen wurde. Wie ist dein Eindruck von dieser Spielklasse, besonders in Bezug auf den Umgang mit den Spielern auf dem Feld? 

Michel: In meinen bisherigen Spielen war der Umgang mit den Spielern und der Spieler untereinander deutlich rauer. Ich hatte schon das Gefühl, dass ich die ersten Minuten auf die Probe gestellt wurde und Spieler geschaut haben, wie viel kann man heute sagen, wie viel nicht. Aber grundsätzlich war der Umgang immer respektvoll und auf Augenhöhe.

Fabienne Michel

 

SWFV: Drei Jahre zuvor hast du bereits im Frauenfußball den Sprung in die höchste Spielklasse geschafft. Gibt es Unterschiede zwischen der Frauen-Bundesliga und der Männer-Regionalliga? Wenn ja, inwiefern machen diese sich für dich als Schiedsrichterin bemerkbar? 

Michel: Es ist schwierig, Frauenfußball und Männerfußball miteinander zu vergleichen. Man könnte sagen, dass der Männerfußball schneller ist, darauf muss ich mich als Schiedsrichterin natürlich einstellen. Im Frauenfußball herrscht viel Respekt vor dem Gegner und vor dem Spiel. Im Männerbereich werden zum Teil robustere Zweikämpfe geführt und es gibt es mehr Theatralik.

 

SWFV: Wie hast du dich speziell während der spielfreien Zeit im Sommer auf die neue Saison vorbereitet? Hast du nach deiner Nominierung für die Regionalliga deine Vorbereitung auf die neue Spielklasse angepasst?

Michel: Ich glaube, dass es wichtig ist sich in der spielfreien Zeit auch mal eine Pause zu nehmen und runterzufahren. Daher habe ich mir, nachdem die Frauen-Bundesliga beendet wurde, auch erstmal Urlaub gegönnt. Zur Vorbereitung auf die neue Saison habe ich verschiedene (Intervall)-läufe, Fitnesseinheiten und Testspiele genutzt. Die Nominierung in die Regionalliga gab natürlich schon nochmal einen ordentlichen Motivationsschub und hat mich intensiver und öfter trainieren lassen.

 

SWFV: Was musstest du erbringen, um dich letztendlich tatsächlich für die höhere Spielklasse zu qualifizieren?

Michel: In der Oberliga wird fast jedes Spiel beobachtet und am Ende erhält der Schiedsrichter eine Note für seine Leistung. Damit wird ein Ranking erstellt und der Notendurchschnitt ist wichtig. Neben den Noten spielen allerdings noch viele andere Faktoren eine Rolle, zum Beispiel das Alter und die Perspektive des/der Schiedsrichter/in und es muss einen freien Platz in der höheren Liga geben.  

 

SWFV: Ende Oktober hast du noch das Spiel der Regionalliga Südwest zwischen dem VfR Aalen und dem FC Gießen geleitet, danach wurde die Regionalliga-Saison vorerst unterbrochen. Wie verbringst du aktuell die mehr oder weniger spielfreie Zeit, immerhin läuft ja noch die Frauen-Bundesliga?

Michel: Ja genau, die Frauen-Bundesliga läuft aktuell noch weiter und da bin ich gerade auch viel als Schiedsrichterin, 4. Offizielle oder Backup im Einsatz. Dennoch habe ich gerade durch die spielfreie Zeit im Männerbereich mehr Zeit und nutze das für die Uni, um meine Familie zu sehen und um mich fit zu halten.

 

SWFV: Wie bereitest du dich speziell auf eine Partie vor? Gibt es hierbei Unterschiede zwischen einem Spiel in der Frauen-Bundesliga und der Herren-Regionalliga?

Michel: Ich setze mich grundsätzlich erstmal mit der Spielpaarung auseinander: Welche Mannschaften treffen aufeinander? Dann schaue ich weiter: Wie ist die Tabellenkonstellation? Wie haben die beiden Teams ihre letzten Spiele bestritten? Welche Spieler und Trainer werde ich antreffen? Und gibt es sonst irgendwelche Neuigkeiten. Bei mir gibt es da auch keinen Unterschied zwischen Frauen-Bundesliga und Herren Regionalliga. Das Einzige ist, dass uns für die Frauen-Bundesliga die Zusammenfassungen aller Spiele zur Verfügung stehen. In der Regionalliga ist dies vereinzelt der Fall. Vorbereitung ist wichtig, allerdings ist es genauso wichtig nicht voreingenommen zu sein. Daher sollte man sich immer bewusst sein, dass es im nächsten Spiel ganz anders laufen könnte.

 

SWFV: Was kannst du insbesondere jungen Schiedsrichterinnen mit auf den Weg geben, die es wie du in höhere Spielklassen schaffen wollen?

Michel: Ich würde grundsätzlich sagen, sammelt so viele Erfahrungen wie möglich. Getreu dem Motto „Übung macht den Meister“. Mit jedem Spiel wächst man und lernt dazu. Lasst euch nicht unterkriegen oder entmutigen, wenn ihr Fehler macht. Fehler macht jeder und man wächst auch mit seinen Fehlern, bzw. kann daraus oftmals noch mehr lernen als aus „fehlerfreien“ Spielen. Ansonsten würde ich sagen verschafft euch Gehör durch Zuverlässigkeit, Leistung, Fitness und Regelkenntnis und wehrt euch, wenn ihr euch wegen eures Geschlechtes benachteiligt fühlt.

Fabienne Michel SWFV

 

SWFV: Bei den Spielern sind Erfolgsmomente wie ein Tor für das eigene Team offensichtlich. Erleben Unparteiische während der 90 Minuten ebenfalls Erfolgserlebnisse?

Michel: So emotional wie eine Torerzielung sind die Erfolgserlebnisse für einen Schiedsrichter nicht. Dennoch freut man sich sehr, wenn man merkt, dass Spieler, Trainer und Zuschauer zufrieden sind und ein tolles Spiel sehen. Das ist unser Ziel und wir wollen mit unserer Spielleitung dazu beitragen. Natürlich ist es auch ein schönes Gefühl zu merken, dass man schwierige oder entscheidende Szenen richtig beurteilt hat. Jedoch zählt am Ende die größtmögliche Zufriedenheit aller Beteiligten.  

 

SWFV: Was war das Highlight deiner bisherigen Schiedsrichter-Laufbahn?

Michel: Da gibt es einige. Ich glaube ein großes Highlight für mich persönlich war Assistentin im DFB-Pokal Finale der Frauen 2017 zu sein und im Anschluss zu erfahren, dass ich in die Frauen-Bundesliga aufgestiegen bin. Sowie erste internationale Erfahrungen beim Nordic Cup 2018 in Norwegen oder das Weltrekordspiel 2019 in Frankreich. Im Grunde genommen war jeder Aufstieg ein Highlight, sowohl dieses Jahr in die Herren Regionalliga als auch schon zuvor in die Landes-, Verbands- und Oberliga. Die ersten Spiele in der neuen Liga sind auch immer etwas Besonderes.

 

SWFV: Mit welchen Zielen gehst du in die weitere Saison? Was sind deine langfristigen Ziele als Schiedsrichterin?

Michel: Ich bin sehr glücklich darüber in der Frauen-Bundesliga und Herren Regionalliga zu sein. Ich möchte dort tolle Spiele leiten und mein Bestes geben. Langfristige Ziele sind, denke ich, schwierig zu formulieren. Grundsätzlich kann ich sagen, dass ich immer Schritt für Schritt vorankommen möchte.

 

SWFV: Wir danken dir für das Interview und wünschen dir weiterhin viel Erfolg!