Gittelmann: Schiri aus Liebe zum Fußball

19.10.2021

Christian Gittelmann ist für den DFB und die FIFA als Schiedsrichter-Assistent im Einsatz. Im Sommer war er bei der EURO als Videoassistent mit dem Schwerpunkt Abseits tätig – unter anderem beim Finale zwischen England und Italien. Seit Mitte Juli arbeitet der 38-Jährige als Referent bei der DFB-Stiftung Egidius Braun.

 

Für Christian Gittelmann hat am 15. Juli ein neuer Lebensabschnitt begonnen. Eine spannende Aufgabe ist hinzugekommen. Denn seitdem arbeitet der Betriebswirt, der national und international als Schiedsrichter-Assistent tätig ist, als Referent für die DFB-Stiftung Egidius Braun. Unter anderem hat er die Fußball-Ferien-Freizeiten begleitet, die in den Sommerferien durchgeführt wurden. "Ich freue mich sehr über diese neue Herausforderung. Die Themen der Stiftung sind extrem wichtig für unseren Sport und die Gesellschaft", sagt er. "Ich möchte meinen Teil dazu beitragen, dass die Hilfe dort ankommt, wo sie gebraucht wird – beispielsweise in Osteuropa, aber auch hierzulande."

 

Persönliche Erfahrungen in Osteuropa

Gittelmann hat Regionen Osteuropas schon persönlich erleben können. Als Schiedsrichter-Assistent war er beispielsweise zehn Tage in der nordmazedonischen Hauptstadt Skopje bei einem U 19-Turnier im Einsatz. "Mich haben dort die Gastfreundschaft und die Lebensfreude begeistert, die die Menschen trotz teils großer Armut vorleben", erklärt Gittelmann. Gleiches hat er während eines EM-Qualifikationsspiel in Albanien gegen die Türkei erfahren, das die Gäste im März 2019 mit 2:0 gewonnen haben.

 

"Dank meiner Tätigkeit als Schiedsrichter-Assistent habe ich die Möglichkeit, Städte und Gegenden in Europa kennenzulernen, in die ich sonst niemals gekommen wäre", sagt Gittelmann. Aber das ist natürlich nur einer von vielen Aspekten: "Ich liebe seit meinen Kindertagen den Fußball und hatte immer das Ziel, weiter und bis nach ganz oben zu kommen. In der Jugend habe ich gemerkt, dass mein Talent nicht reicht, um es als Spieler zu schaffen. Deshalb habe ich nach viel Überzeugungsarbeit aus dem erweiterten Familienkreis als Schiedsrichter angefangen. Und das war genau die richtige Entscheidung", betont er lachend.

 

Polizeischutz nach einem A-Klassenspiel

Christian Gittelmann ist seit dem Jahr 2000 als Unparteiischer im Einsatz. Begonnen hat er seine Karriere als 17-Jähriger im Amateurfußball. Sein erstes Spiel hat er in der Kreisklasse bei den D-Junioren geleitet. Von dort aus ist er konsequent seinen Weg in die Spitze gegangen und hat sich dabei auch von Rückschlägen nicht abhalten lassen: "Ein Schlüsselerlebnis war für mich ein Aufstiegsspiel in der A-Klasse im Jahr 2004. Die Begegnung fand auf einem Aschenplatz statt. Die Stimmung war aufgeladen, 1000 Zuschauer waren da. Ich habe mich von den Emotionen leiten lassen und insgesamt fünf Platzverweise ausgesprochen. Am Ende musste ich unter Polizeischutz in die Kabine geführt werden. Danach habe ich mir schon meine Gedanken gemacht, ob ich das wirklich weitermachen will."

 

Rückblickend weiß er, dass ihn Erfahrungen wie diese stärker gemacht haben. "Als Schiedsrichter muss man selbstbewusst, schlagfertig und durchsetzungsstark sein", erklärt Gittelmann. "Man muss Entscheidungen innerhalb von Sekundenbruchteilen treffen. Von uns wird immer Perfektion erwartet, die wir natürlich auch anstreben. Aber es ist nicht möglich, immer alles richtig zu machen. Ich würde mir manchmal wünschen, dass trotz aller Emotionalität nicht vergessen wird, dass wir auch nur Menschen sind. Wir lieben den Fußball genauso, wie alle anderen auch. Wir wollen unseren Teil dazu beitragen, um das Spiel attraktiv zu machen."

 

14-mal bei der EURO 2020 im Einsatz

Gittelmann war inzwischen über 125-mal in der Bundesliga im Einsatz, dazu über 75-mal bei internationalen Spielen – meist als Assistent, teilweise auch als Video Assistent Referee und 4. Offizieller. Zu Saisonbeginn stand er in der ersten Runde des DFB-Pokals beim Derby zwischen dem Wuppertaler SV und dem VfL Bochum an der Seitenlinie, drei Tage später schon beim Qualifikationsspiel zur Champions League zwischen Slavia Prag und Ferencvaros Budapest.

 

Bei der Europameisterschaft in diesem Jahr hat er 14 Begegnungen als einer von vier Video Assistant Referees begleitet – darunter das Eröffnungsspiel, die beiden Halbfinals und das Endspiel. "Wir sind in dieser Rolle sozusagen der Rettungsschirm für den Schiedsrichter auf dem Platz. Wenn dieser etwas übersieht, muss er sich darauf verlassen können, dass wir die Situation richtig einschätzen und ihm gegebenenfalls einen Hinweis geben", beschreibt Gittelmann seine Aufgabe.

 

Pokalfinale, Barcelona gegen Juventus und England gegen Belgien

"Die jeweils ersten Spiele in einer höheren Spielklasse habe ich in besonderer Erinnerung", erzählt Gittelmann. Das Pokalfinale 2019 und das Duell in der Champions League in der vergangenen Saison zwischen dem FC Barcelona und Juventus Turin fallen ihm spontan als Höhepunkte in der jüngeren Vergangenheit ein. Auch das Aufeinandertreffen zwischen England und Belgien im Wembley Stadion in der Nations League: "Beide Partien mussten leider ohne Zuschauer stattfinden. Vielleicht auch deswegen sind sie mir besonders in Erinnerung geblieben."

 

Auch wenn Christian Gittelmann sich manchmal fragt, wie viel Zeit er seit gut 21 Jahren für das Schiedsrichtersein investiert, hat er es nie bereut, das zu tun. "Es ist aus meiner Sicht auch eine Charakterschule. Egal in welcher Liga. Die Tätigkeit als Schiedsrichter und seit 2013 spezialisierter Schiedsrichterassistent hat mir als Mensch von Beginn an sehr viel mitgegeben", sagt er und nennt konkrete Beispiele: "Man muss eine gute Menschenkenntnis entwickeln. Man muss lernen, Fehler zu machen und aus ihnen die richtigen Schlüsse zu ziehen. Man muss sich immer wieder hinterfragen, ehrlich zu sich selbst sein. Und vor allem muss man diszipliniert sein." Zu seinem Programm gehört beispielsweise, dass er sechsmal in der Woche Sport macht – lange Läufe, kurze intensive Intervalle, Einheiten im Fitnessstudio oder auf dem Rad. Bei Wind und Wetter, Ausreden gibt es nicht. Manchmal genießt er das auch, um den Kopf wieder freizubekommen.

 

Manche Entscheidungen rauben ihm den Schlaf

Denn eines ist auch klar: Manche Entscheidungen begleiten Christian Gittelmann in den Schlaf oder rauben ihm diesen sogar: "Auf dem Platz habe ich keine Zeit, um zu überlegen. Da muss ich direkt entscheiden. Und da ist ganz bestimmt nicht immer alles richtig. Wenn ich dann nach einem Spiel eine Szene nochmal sehe und feststellen muss, dass ich falsch gelegen habe, will und muss ich das schnell verarbeiten und abhaken. Es kommt dann vor, dass ich die halbe Nacht wach liege und mich über meine Entscheidung ärgere und überlege, wie es dazu kam. Das gehört leider auch dazu, damit kann und muss ich umgehen. Kurz und bewusst wirken lassen und dann abschütteln, nur so geht es. Auch Dinge zu hinterfragen, die niemandem im Spiel groß aufgefallen sind, und aus ihnen lernen ist einer der Schlüssel zu Verbesserungen. Und am besten ist es, wenn nach einem Spiel niemand über das Schiedsrichterteam spricht. Denn dann haben wir alles richtig gemacht. Das ist das größte Lob."

 

Mit all seiner Erfahrung wird Christian Gittelmann fortan die Stiftungsarbeit bereichern und dazu beitragen, dass vor allem in den Fußball-Ferien-Freizeiten der Ball rollt. Dabei wird seine spürbare Begeisterung für den Fußball und das Amt des Schiedsrichters sicher viele Jugendliche begeistern, auch zur Pfeife zu greifen.

 

Zum Schiedsrichter-Profil von Christian Gittelmann auf unserer Homepage

 

Bild: GettyImages
Text: dfb.de