Nach Corona: „Ich glaube, dass ich schon wieder spielen kann.“

22.07.2022
Bereich
Gregor Berrsche

So oder so ähnlich werden sich voraussichtlich ab Herbst wieder mehr Spielerinnen und Spieler nach einem positiven Test auf Covid-19 zum Training melden. Für aktive Sportler besteht im Rahmen einer Covid-19 Infektion vor allem das Risiko, dass die Infektion auch die Herzmuskulatur befällt und damit eine ggf. lebensbedrohliche Herzmuskelentzündung auftritt. Bei der Sport-Freigabe standen Mediziner seit Beginn der Pandemie vor einem Dilemma: Einerseits will man, gerade bei Hochleistungssportlern durch diverse Untersuchungen größtmögliche Sicherheit vor der Erteilung einer Sportfreigabe, andererseits zeigte sich mit zunehmender Erfahrung in der Diagnostik, dass die Aussagekraft einiger Befunde sehr zweifelhaft war für die Fragestellung der Sportfreigabe im Hochleistungssport. In der Praxis hat sich darüber hinaus vielfach eine definierte stufenweise Belastungssteigerung (graduelles return to sport, GRTS) bewährt ohne relevante Risikosteigerung. Daher wurden nun in den jüngsten Empfehlungen der Fachgesellschaften die Einschränkungen zur sportlichen Belastungssteigerung nach einer Covid-19 Infektion immer weniger restriktiv, ausgenommen für Risikogruppen, denen weiterhin eine erweiterte Testung vor Sportfreigabe empfohlen wird.

Ein gruppenspezifischer gradueller Return to Sport (GRTS) nach einem positiven Test sieht folgendes vor:

Gruppe 1

Bei asymptomatischem oder mild symptomatischem Verlauf (Gelenk- und Gliederschmerzen aber KEINE Kreislauf oder Atmungsbeschwerden) sowie, wenn die Infektion bereits mehr als 3 Monate zurück liegt, muss keine spezifische Abklärung vor einem Belastungsaufbau erfolgen.

Diese Sportler können mit dem GRTS beginnen: ...

  • bei asymptoamtischem Verlauf nach 3 Tagen. 
  • bei mild symptomatischem Verlauf nach 10 Tagen, sofern sie zuletzt mind. 3 Tage symptomfrei gewesen sind. 
  • wenn sie ihre Alltagsbelastung sowie eine Gehstrecke von mind. 500 Metern ohne Einschränkungen bewältigen können.
  • wenn sie sämtliche Medikamente zur Symptombehandlung zuvor abgesetzt haben.

Gruppe 2 

Bei Brustschmerzen, Druck- und Engegefühl im Brustkorb, Atemproblemen, zu schnellem oder unregelmäßigem Herzschlag (Palpitationen) oder Schwäche, ggf. auch Kollaps im Verlauf wird eine vorherige Abklärungs-Triade empfohlen bestehend aus: EKG, Blutuntersuchung (Troponin) und Herzultraschall.

Bei normalem Befund kann mit dem GRTS begonnen werden, bei abnormalen Werten sind diese zunächst weiter abzuklären.   

Sonderfall Kinder- und Jugendliche

Bei Kindern und Jugendlichen sind asymptomatische und milde Verläufe die Norm, dennoch sind auch hier Komplikationen wie eine Herzmuskelentzündung grundsätzlich möglich (< 0,1 %). Deshalb ist die prinzipielle Zuordnung zu Gruppe 1 oder Gruppe 2 bzgl. einer erweiterten sportmedizinischen Abklärung vor gradueller Belastungssteigerung ebenfalls zu empfehlen. Da eine Beteiligung des Herzmuskels nie gänzlich ausgeschlossen werden kann und es eine erhebliche Variabilität in der Intensität der sportlichen Belastung bei Kindern und Jugendlichen gibt, insbesondere bei jenen mit Kaderzugehörigkeit, empfehlen die Fachgesellschaften hier eine mindestens 14 tägige Symptomfreiheit vor GRTS, insbesondere im Nachwuchsleistungssport.

Die GRTS Belastungssteigerung:

Sie beginnt demnach für Gruppe 1 ab dem 4. bzw. 10 Tag, Gruppe 2 nach unauffälliger Abklärungs-Triade  sowie bei Kinder und Jugendlichen ab dem 14. Tag. Die GRTS wird anhand der max. Herzfrequenz sowie der Belastungszeit über insgesamt 7 (Trainings-)Tage schrittweise gesteigert.

Eine Teststufe gilt als nicht bestanden, wenn…

  • … die Belastung nicht vollumfänglich und ohne Einschränkungen oder Pausen durchgeführt werden konnte.
  • … ein anhaltend hoher Ruhepuls (über 100/x Minute länger als 5 Minuten) nach Belastungsende vorliegt. 
  • … subjektive anhaltende physische Erschöpfung oder psychologische Erschöpfung (Belastungsangst) vorliegt

 

In diesen Fällen ist nach frühestens 24 Stunden ein erneuter Belastungstest auf der nächst-niedrigeren Stufe angezeigt. 

Fazit: Diese Empfehlungen aus dem Hochleistungssport sind aufgrund des Belastungsprofils in gleicherweise auch bei Amateurfußballer/innen zur Anwendung in der täglichen Praxis zu empfehlen.

Zur Person

Dr. med. Gregor Berrsche ist Orthopäde und Unfallchirurg mit Schwerpunkt Sportorthopädie und Sporttraumatologie im DEUTSCHEN GELENKZENTRUM HEIDELBERG in der ATOS Klinik Heidelberg. Er ist Mannschaftsarzt der Deutschen Volleyballnationalmannschaft der Damen und betreut seit vielen Jahren die Spitzenathleten und Bundeskader des Olympiastützpunkts Heidelberg. Er wird den SWFV künftig als medizinischer Berater und Mitglied im Ausschuss für Qualifizierung unterstützen. Zudem steht er (Auswahl-)Spieler/innen, Eltern, Trainer/innen, Betreuer/innen sowie Schiedsrichter/innen in Fragen rund um konservative und operative Therapien von akuten Sportverletzungen und chronischen Sportschäden gerne zur Verfügung.

Künftig wird Dr. med. Gregor Berrsche, gemeinsam mit Dr. med. Patrick Belikan regelmäßig im SÜDWEST FUSSBALL aktuelle Themen medizinisch beleuchten und in Ihrer Rubrik „Sprechstunde“ Tipps und Tricks zu fußballspezifischen Gesundheitsfragen geben.

Bei Interesse können die verwendeten Literaturquellen beim Verfasser per Email erfragt werden (gregor.berrsche@swfv.net).