Der neue Kinderfußball: Kleinere Teams, kleinere Tore - größere Chancen!

09.06.2022
Kinderfußball

Mehr Begeisterung. Mehr Ballkontakte. Mehr Erfolgserlebnisse. Mehr Kreativität. Dazu eine breitere Basis für die Zukunft. Die neuen Spielformen im Kinderfußball verfolgen große Ziele. Zwei Jahre lang sind sie in den 21 Landesverbänden des Deutschen Fußball-Bundes in Pilotprojekten getestet worden. Seit der Saison 2021/2022 spielen die G-Jugend und F-Jugend im Südwestdeutschen Fußballverband an regelmäßigen Spieltagen mit zwei Vereinen im 4+1 gegen 4+1 und zeitgleich im 2 gegen 2 bzw. 3 gegen 3. Zusätzlich werden in den einzelnen Kreisen des Verbandes Spielfeste angeboten, an denen die Jugendmannschaften im Champions-League-Modell im 2 gegen 2 oder 3 gegen 3 gegeneinander spielen.

 

 

Vieles im Kinderfußball wird damit kleiner, angefangen vom Spielfeld über die Mannschaftsgrößen bis hin zu den Toren. Größer werden für jede Spielerin und jeden Spieler die Chancen - auf Ballaktionen, Einsatzzeiten, persönliche Beteiligung, erzielte Tore, besondere Momente, Spaß, Freude. Die Revolution des Kinderfußballs stellt das Spiel und das Kind in den Mittelpunkt, es bringt den Bolzplatz von früher auf die Sportanlagen und in die Vereine von heute.

„Wir müssen wie Kinder denken“

„Das Angebot wird mit den neuen Spielformen kindgerechter“, betont Ronny Zimmermann, 1. DFB-Vizepräsident Amateure: „Wir müssen wie Kinder denken, nicht wie Erwachsene. Nur Kids, die Spaß und Freude am Spiel entwickeln, werden dem Fußball erhalten bleiben. Die Reform soll den gesamten Fußball und die Nachwuchsarbeit an der Basis langfristig stärken.“

„In unserem umfangreichen und langfristig angelegten Kinderfußballprojekt nimmt die flächendeckende Einführung der neuen Spielformen im Kinderfußball einen großen Stellenwert ein. In Pilotphasen und Vorstellungen in den Kreisen haben wir versucht, die Anregungen und Bedenken der Trainerinnen und Trainer im gesamten Verbandsgebiet Ernst zu nehmen und diese in der Umsetzung zu berücksichtigen. Auch in der Zukunft wird im Südwestdeutschen Fußballverband die Gewinnung und Förderung der jüngsten Kicker, aber auch die Qualifizierung unserer Kindertrainer*innen von großer Bedeutung sein (Verbandssportlehrer Heinz Jürgen Schlösser).“

Studien bestätigen: Mehr Ballkontakte, mehr Torschüsse, mehr Tore

Die Erfahrungen in der gelebten Praxis der Pilotphase sind positiv. Wissenschaftliche Arbeiten bestätigen, dass es zu mehr Ballkontakten, mehr Torschüssen und mehr Toren als im traditionellen Kinderfußball kommt. Durch den permanenten Wechsel aus Angriffs- und Abwehraktionen sind die Spieler*innen ständig in Aktion und ins Spiel eingebunden. Dies fördert den Spaß für alle und soll die Bindung zum Fußball nachhaltig steigern.  

Um den Leistungsdruck zu minimieren und die sportliche Entwicklung der Kinder stärker in den Vordergrund zu rücken, wird in der G- und F-Jugend keine Meisterschaftsrunde ausgetragen. Stattdessen sind Spielenachmittage und Festivals mit mehreren Mannschaften und Spielfeldern vorgesehen. Integriert in die Spielformen ist ein Rotationsprinzip mit festen Wechseln der Spieler*innen, um allen Kindern Einsatzzeiten zu ermöglichen.

Die veränderten Spielformen fördern die Selbstständigkeit der Spieler*innen und minimieren das Coachen durch die Trainer*innen sowie die Einflussnahme der Eltern auf das Nötigste. Es sind keine Schiedsrichter*innen im Einsatz, die Spieler*innen entscheiden selbst. Die Trainer*innen haben weiterhin eine Schlüsselrolle, aber weniger als Coach, mehr als Spielbegleiter*innen, welche dem Nachwuchs den bestmöglichen Raum zur spielerischen Entfaltung geben. Die Kinder lernen, verstärkt eigene Lösungen zu finden. Der neue Modus bringt mit sich, dass mehr Spiele verloren und gewonnen werden, so dass Kinder den Umgang mit Siegen und Niederlagen noch besser erlernen.

Die Prinzipien des neuen Kinderfußballs

Der neue Kinderfußball folgt damit klaren Prinzipien:

  1. Der Spaß am Spiel und die Kinder stehen im Mittelpunkt.
  2. Erlebnis steht vor Ergebnis.
  3. Alle Kinder sind aktiv und gehören dazu - unabhängig von Talent und Entwicklungsstand.
  4. Kinder spielen selbstständig und sorgen für Fairplay.
  5. Jedes Kind hat Aktionen und Erfolgserlebnisse.
  6. Coaching und Reize von außen werden minimiert.
  7. Die Größe der Teams, der Tore und des Spielfelds wächst mit den Kindern.
  8. Jungen und Mädchen können noch einfacher gemeinsam spielen.

Die neuen Wettbewerbsformen sorgen darüber hinaus dafür, dass Kopfbälle nahezu ausgeschlossen werden. Die Spielfeldgröße ist deutlich kleiner, Einwurf und Abstoß werden durch das Eindribbeln ersetzt, ein Abschlag durch den Torwart findet kaum statt. Somit geht der deutsche Fußball altersgerecht mit dem Kopfballspiel im jungen Alter um, ohne Verbote oder Reglementierungen vorgeben zu müssen, wie es zum Teil andere Nationalverbände praktizieren.

Aufklärungsarbeit gegen noch immer bestehende Vorbehalte

Seit die ersten Landesverbände sich vor wenigen Jahren aufmachten, die neuen Spielformen intensiv zu testen, haben sich viele anfängliche Widerstände aufgelöst. Manche Vorbehalte gibt es noch immer. Ist das überhaupt richtiger Fußball? Wieso keine größeren Tore? Ist das nicht schlecht für die Torhüter*innenausbildung?

Es sind Fragen, die vor allem Erwachsene stellen. Und: Skepsis wird meist von denjenigen geäußert, die mit ihren Teams noch kein Kinderfußballfestival live erlebt haben. „Es ist an uns Verbänden, weiter Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit zu leisten“, sagt Hermann Winkler, zuständiger DFB-Vizepräsident für den Jugendfußball: „Vor allem organisatorisch muss sich für die Vereine vieles erst einschleifen. Auch hier ist es unsere Aufgabe, bestmöglich zu beraten und zu unterstützen.“

Eine Umfrage im Amateurfußball-Barometer hatte zu Beginn des Jahres die Wichtigkeit der Ziele, die die Reform des Kinderfußballs verfolgt, noch einmal unterstrichen. Den Wunsch, dass Kinder möglichst viel Spaß am Spiel haben sollen, teilten nahezu alle der rund 5.200 befragten Personen aus dem Amateurfußball. Mehr als 99 Prozent von ihnen halten dies für wichtig oder sehr wichtig. Ähnlich stark gewichtet wurden die Vorhaben, dass Kinder Fairplay erleben (95 Prozent), möglichst viele Ballaktionen haben (93 Prozent) und altersgerecht Fußball spielen (90 Prozent). Dass der Nachwuchs durch Zwischenrufe der Eltern weniger gestört werden soll, bezeichneten 89 Prozent als wichtig oder sehr wichtig.