Eine höhere Wertschätzung für die Kleinsten

16.03.2021
Kinderfußball im SWFV

Hintergrund: Um Nachwuchs zu gewinnen, setzt der Südwestdeutsche Fußballverband bei den Jüngsten an. Diese sollen besser ausgebildet werden. Doch auch Elemente, die so mancher noch vom Bolzplatz kennt, sollen nicht zu kurz kommen.

Der Nachwuchs fehlt – auch in Deutschlands Volkssportart Nummer eins. Daran ist nicht alleine das Coronavirus schuld. Aber die Pandemie hat die Problematik noch beschleunigt. Ein ganzer Jahrgang ist weggebrochen, sagt Heinz Jürgen Schlösser. Der Verbandssportlehrer weiß zudem: Besonders auf Dauer bleiben immer weniger junge Kicker am Ball. Ein Problem, das Folgen hat. Auch im Gebiet des Südwestdeutschen Fußballverbandes gibt es immer weniger Jugendmannschaften.

„Der Kinderfußball liegt mir sehr am Herzen“, betont der 58-Jährige – und schiebt nach: „Leider wird dessen Bedeutung aber oft verkannt.“ Für den Verbandssportlehrer ist klar: „Es wird höchste Zeit, dass alle Verantwortlichen in Fußballdeutschland erkennen, dass dort für den Profi- und Amateurfußball die existenzielle Grundlage gelegt wird.“

Der Südwestdeutsche Fußballverband (SWFV) will mit einem langfristig angelegten Projekt die jüngsten Kicker gewinnen – und für den Sport begeistern. Ein wesentlicher Ansatz ist dabei die Ausbildung der Trainer. „Wir haben sehr engagierte Kindertrainer, vielen fehlt aber die Qualifikation“, sagt Schlösser. Als Beispiel nennt der Fußballlehrer den Vater eines Kindes, der sich zur Verfügung stellt, weil es sonst niemand machen will – und der dann bei den Inhalten oft auf seine eigene Fußballzeit zurückgreife. Doch ist das auch wirklich kindgerecht?

„Mir wäre da auch eine sportliche Frau sehr lieb, die kreative Ideen ins Training einbringt und einen guten Draht zu den Kindern hat“, sagt Schlösser. Für das Projekt arbeitet der Verbandsjugendausschuss mit Kinderfußballexperten an einem Konzept, das wiederum durch sogenannte „Kindertrainer-Lotsen“ in den Fußballkreisen umgesetzt werden soll. Auch Experten aus Schulen und Kindertagesstätten sowie Vereinskindertrainer sollen temporär in die Projektentwicklung eingebunden werden.

Kindertrainerzertifikat

So soll beispielsweise ein Kindertrainerzertifikat eingeführt werden. In 20 Lerneinheiten – sieben davon digital – sollen möglichst ab Mai die Übungsleiter Basisqualifikationen erhalten. Wichtig ist dem Verbandssportlehrer, der gleichzeitig auch Projektleiter ist, dass altersgerechte Übungseinheiten angeboten werden. So gehe es darum, einerseits spielerisch Elemente zu vermitteln, andererseits aber auch den von früher bekannten Bolzplatzfußball ins Training zu integrieren – beispielsweise ein Spiel von zwei Mannschaften auf ein Tor.

„Wir wollen außerdem noch verstärkter in die Kindertagesstätten und Grundschulen gehen“, sagt Schlösser. Dort werden bereits Erzieher und Lehrer für die Sportart Fußball „sensibilisiert und weitergebildet“.

„Kindertrainer-Lotsen“

Ein wichtiger Baustein für das Projekt sollen die „Kindertrainer-Lotsen“ in jedem Fußballkreis sein. „Sie kennen die Vereine, kennen die Trainer“, erläutert der Verbandssportlehrer. Diese Trainerbegleiter sind mindestens im Besitz einer B-Lizenz und sollen bei Bedarf auch direkt in den einzelnen Vereinen mit den Trainern arbeiten, ihnen helfen, Tipps geben. Zudem soll es in jedem Kreis speziell für die Fortbildungen auch ausgewählte Ausbildungszentren geben, um vor Ort gute Qualifizierungsbedingungen zu haben. Das Ziel: Der Verband kommt zu den Vereinen.

„Der erste Kontakt mit einer Sportart muss positiv sein“, beschreibt es Schlösser. Und genau deswegen sei eine höhere Wertschätzung des Kindertrainings von so großer Bedeutung. „Wir müssen die Basis qualitativ und quantitativ stärken, sonst bekommen wir in unserer Sportart zukünftig noch größere Probleme“, betont der 58-Jährige. Mit Nachwuchssorgen hat der Aktivenfußball bekanntermaßen schon seit geraumer Zeit zu kämpfen.

Der SWFV möchte zudem im Kinderfußballbereich – gerade nach Rückmeldung einiger Jugendtrainer – etwas andere Wege gehen, als sie der Deutsche Fußball-Bund (DFB) vorgibt. Hier geht es um die künftig angedachten Spielformen bei den Bambini und den F-Junioren. Dort soll auf Mini-Spielfeldern in kleineren Teams in Turnierform gespielt werden, um den kleinen Kickern einerseits mehr Ballkontakte und Zweikämpfe, aber auch gerade denjenigen mehr Spielzeit zu ermöglichen, die oft nur für wenige Minuten aufs Feld dürfen.

Würde dies konsequent umgesetzt, würden die Kinder bei Spielen am Wochenende erst ab der E-Jugend auf Tore mit Torhüter schießen, erläutert Schlösser. Deswegen sollen vier gegen vier Spieler plus Torhüter gegeneinander antreten, parallel zwei gegen zwei oder drei gegen drei auf Mini-Spielfeldern und Mini-Toren spielen. „Dann haben auch die Trainer nicht so einen hohen organisatorischen Aufwand, es treffen sich immer zwei Mannschaften, und es gibt nicht jedes Wochenende zeitaufwendige Turniere“, so der Verbandssportlehrer über die modifizierte Variante des SWFV.

Quelle: DIE RHEINPFALZ, 13.03.21, Text Sebastian Stollhof