Die Kollegen von FUSSBALL.DE besuchten den TuS Wörrstadt

18.09.2023
Bereich
Wörrstadt

Der DFB ist der weltweit größte Sportverband. 24.159 Vereine sind unter seinem Dach und über die Landesverbände registriert. Doch wie sieht es bei ihnen im Einzelnen aus: Welche Geschichte bewegt sie, welche Gegenwartsthemen und was bringt die Zukunft? Wir haben fünf Vereine aus den fünf Regionalverbänden besucht und Geschichten gesammelt: über die richtige Dicke von Pommes in Herne, Regenschirm-Mythen in Ostfriesland, die Kraft der Geschichte in Leipzig, Frauen-Power aus Wörrstadt und Monopoly-Scheine im Odenwald. Dritter Verein der Deutschland-Reise ist der TuS Wörrstadt.

 

Oben auf dem Spiel- und Trainingsgelände des TuS Wörrstadt 1847 schaut man weit in die Landschaft über die Weinberge Rheinhessens. Vor fast fünf Jahrzehnten schrieb der Klub Geschichte, als er erster Deutscher Frauenfußballmeister wurde. Wörrstadt zog die Fans an, die Ränge waren voll. Und heute? "Bei gutem Wetter", sagt Maria Breuer, "kommen an die hundert." Die 70 Jahre alte Abteilungsleiterin des Frauen- und Mädchenfußballs der TuS steht vor "der Garasch", einem Verschlag für Trainingsutensilien und schaut über den Kunstrasenplatz, der nicht dem Verein gehört, sondern der Stadt.

 

Maria Breuer liebt Naturrasen, will aber nicht klagen. Es sind andere Zeiten als die, in denen sie selbst Torfrau war. Maria Breuer hat immer auf echten Halmen gespielt und dem Fußball vieles von ihrem Leben gewidmet. "Er hat mich geprägt", sagt sie. Als Kind schlich sie am Pfarrer der katholischen Kirche ihres Dorfes vorbei, um heimlich mit den Jungen Fußball zu spielen. 1978 wurde sie mit dem SC 13 Bad Neuenahr Deutsche Meisterin und darf sich Nationalspielerin nennen, weil sie 1983 gegen die Schweiz im Tor der DFB-Auswahl stand.

 

"Da ist ein Verein, der gibt und Sport und Heimat"

Breuer wird ein wenig nostalgisch, wenn sie an früher denkt, als Wörrstadt für seine Kunstradszene, das Hochsprung-Meeting und eben die Fußballerinnen über die Weinberge hinweg bekannt war. Heute ist sie froh, wenn ab und an mal in der Tageszeitung ein Bericht über den Regionalligisten erscheint. Oft kommt es nicht vor. So greift vieles ineinander. Ohne Aufmerksamkeit nicht genügend Nachwuchs, weniger Sponsoren, schmale Finanzen. Es funktioniert trotzdem alles im Verein, der TuS hilft, wo er kann. Dennoch sieht sie Nachholbedarf. "Wir müssen uns wieder mehr in der Stadt zeigen, damit die Eltern und Kinder wissen: Da ist ein Verein, der gibt uns Sport und Heimat."

 

Bärbel Petzold stimmt dem zu. Die heute 72-Jährige steht neben Maria Breuer. Sie war Mitglied der Wörrstädter Meistermannschaft. Beide Frauen waren früher Gegnerinnen, aber nie Rivalinnen. Den Frauenfußball zu etablieren, das war ein gemeinsamer Kampf gegen Vorurteile, den DFB, die alten Männer. Erst 1974 wurde die erste offizielle Meisterschaft ausgetragen, das erste Länderspiel 1982.

 

Bärbel Petzold ist Vorsitzende des Frauen- und Mädchenfußballausschusses im Südwestdeutschen Fußballverband. Sie hat darüber früh "graue Haare" bekommen mit all den Männern im Präsidium, sagt sie lachend. Beide Frauen erzählen sich fortan Geschichten von einst, sie lachen sich teils schlapp darüber. Neben ihnen steht Laura Weinel und hört zu. Die 27-Jährige ist Spielerin in Wörrstadt. Sie arbeitet zudem beim DFB in einer Abteilung, die sich unter anderem um die Entwicklung des Spielbetriebs kümmert. Sie sitzt quasi an der Quelle, wo versucht wird, die Zukunft des Amateurfußballs zu gestalten.

 

 

Spiele an jedem Wochenende passt nicht mehr in jeden Familienplan

Laura Weinel spürt, wie der Zeitgeist den Fußball umformt. "Als ich jung war", sagt sie, "haben wir für den Fußball alles stehen- und liegenlassen." Die nächste Generation lebt Fußball anders. "Er hat nicht mehr die alleroberste Priorität."

 

Die Zeit ist ein Problem, Spiele an jedem Wochenende, das passt nicht mehr in jeden Familienplan. Zudem gibt es andere Angebote, um mit Gleichaltrigen Zeit zu verbringen. Die Corona-Jahre haben Neuanmeldungen verhindert und die Mädchen haben andere Erwartungen. Permanent verlieren oder durch Meisterschaftsdruck in Teams spielen, die nur mauern, das macht mancher auf Dauer keinen Spaß. Also arbeiten sie beim DFB an Lösungen.

 

Laura Weinel zählt sie auf: kein Abstieg mehr im Kinder- und Jugendbereich, Spiele vier gegen vier oder fünf gegen fünf, feste Wechsel-Rotationen, mehr Ballaktionen, mehr Erfolge, damit der Spaß erhalten bleibt und alle Kinder zum Zuge kommen. Das soll dabei helfen, den Fußball im Amateurbereich zu stärken – und damit den in der Spitze. Wie auch zu Breuers und Petzolds Zeiten ist die Zukunft so greifbar wie offen. Aber viel Zuversicht dabei, dass es gut werden wird.

 

Bilder: GettyImages/Thomas Lohnes
Text: FUSSBALL.DE