Digitale Aus- und Fortbildung im SWFV

29.08.2020
Heinz Jürgen Schlösser

Digitale Aus- und Fortbildung im SWFV: Eine Lösung nur in der Corona-Zeit – oder auch danach eine Alternative? SÜDWEST FUSSBALL sprach mit Verbandssportlehrer Heinz Jürgen Schlösser über die bisherigen Erfahrungen und weiteren Möglichkeiten.

Du warst mit Deinem Verbandstrainerkollegen Christian Bauer während der Corona-Zeit nicht untätig, indem ihr mehrere digitale C- und B-Lizenzfortbildungen sowie teildigitale Lizenz-Ausbildungen durchgeführt habt. Wie kam es zu dieser schnellen Anpassung?

Die digitale Aus- und Fortbildung war kein Neuland für uns. Wir hatten bereits im letzten Jahr zwei Pilotveranstaltungen zum Ausprobieren. Der DFB forciert diese Variante und unterstützt dabei seine Landesverbände mit dem digitalen Campus „Edubreak“. Die fußballlose Zeit während der Corona-Krise hat diese Entwicklung stark beschleunigt. Somit hatten wir die Chance, auch ohne vor Ort zu sein, unsere Trainer weiter zu qualifizieren. 

Wie kann man sich die Umsetzung konkret vorstellen?

Der Teilnehmerkreis musste zu Beginn einige Einstiegsaufgaben erfüllen, um sich mit den Techniken dieses neuen Mediums vertraut zu machen: Ein Teilnehmer-Profil mit Foto erstellen, sich mit einem Videoclip vorstellen und eine Fußballszene mittels „Videoanalyse“ kommentieren, waren die ersten Schritte. Nach dieser Kennenlernphase begann die eigentliche Aus- bzw. Fortbildung. Wir haben dabei in mehreren Themenblöcken gearbeitet. Auftakt war jeweils eine Videokonferenz. Anschließend wurden in Gruppen Trainingsinhalte ausgearbeitet, von den Lehrgangsleitern kommentiert und zwischen den Teilnehmern diskutiert. In diesem Rhythmus ging es über vier Wochen weiter.

Was waren die konkreten Fortbildungsthemen?

Da gab es kaum Unterschiede zu den Präsenz-Lehrgängen: „Neue Überlegungen zum Fitnesstraining“, „Vorstellung und Umsetzung der DFB-Leitlinien“, „Einführung neuer Spielformen im Kinderfußball in Verbindung mit Straßenfußballspielen“, „Individualtaktisches Abwehrverhalten bei Flanken“.

Bedenken waren rückblickend unbegründet

Kamen alle mit der Technik zurecht?

Nach kleineren Startschwierigkeiten hat es prima funktioniert. Auch bei den älteren Teilnehmern, die, wie ich übrigens auch, keine diesbezügliche Vorerfahrung hatten. Der digitale Campus ist auch so standardisiert, dass man sehr schnell damit gut arbeiten kann. Ich selbst hatte im Vorfeld die größten Bedenken. Diese waren aber rückblickend unbegründet. 

Wie unterscheiden sich die digitalen Angebote von den Anwesenheitslehrgängen?

Inhaltich gar nicht. Lediglich das Arbeiten auf dem Platz fehlt total, lässt sich aber bei Fortbildungen im Notfall durch die schriftliche Erarbeitung von Trainingseinheiten kompensieren. Zudem erstreckt sich ein zweitätiger Präsenz-Lehrgang (20 LE) in der digitalen Ausprägung über knapp vier Wochen. Die Teilnehmer benötigen keinen Urlaub und können sich, bis auf die verpflichtenden Videokonferenzzeiten, ihre Arbeitsphasen selbst einteilen.

Wie war die Resonanz und das Feedback der Teilnehmer?

Die Nachfrage war überwältigend. Alle Kurse waren ruckzuck ausgebucht. Die Trainer lechzten förmlich in der fußballlosen Zeit nach Qualifizierungsangeboten des Verbandes. Das Feedback war auch durchweg positiv, auch wenn der Praxisteil auf dem Platz doch vermisst wurde.

Es fehlt die Arbeit auf dem Platz

Wo siehst Du die Vor- und Nachteile zur traditionellen Ausbildung vor Ort?

Vorteile: Die Teilnehmer sparen Urlaubszeit, müssen nicht anreisen und belasten somit weniger die Umwelt, sind in ihrer Zeiteinteilung flexibler, können sich über einen längeren Zeitraum mit Kollegen austauschen und besser individuell vom Ausbildungsleiter betreut werden. Die Wissensteilung ist einfacher möglich.

Nachteile: Es fehlt das Wesentlichste, nämlich die Arbeit auf dem Platz. Auch die gemeinsamen, abendlichen Diskussionsrunden nach dem offiziellen Programm wurde von vielen Teilnehmern vermisst. Sich zwei Tage konzentriert mit Fußball beschäftigen, ohne Ablenkung von Familie und Beruf spricht auch für die Präsenzlehrgänge in der Sportschule. Für mich selbst bedeutet diese Form einen stark erhöhten Arbeitsaufwand, weil alle Beiträge der Teilnehmer schriftlich kommentiert werden müssen und dies über einen Zeitraum von vier Wochen. Im normalen Arbeitsalltag in diese Frequenz nicht zufriedenstellend leistbar.

Was plant ihr in der Nach-Corona-Zeit?

Wir werden einige unserer Präsenz-Aus- und -fortbildungen mit der digitalen Variante kombinieren. Konkret bedeutet dies, dass die Basiswoche „Lizenzausbildung“ zur Hälft in digitaler Form und zur Hälfte als Anwesenheitslehrgang angeboten wird. Eine ähnliche Möglichkeit sehen wir auch bei der 20 Lerneinheiten umfassenden Lizenz-Fortbildung. Die darauf aufbauenden Ausbildungs-Kurse, bei denen die Arbeit auf den Platz im Vordergrund steht, bleiben erst einmal reine Präsenzphasen.

Kombinierte Maßnahmen in der Ausbildung

Wie sieht Dein Fazit aus?

Für mich als eher „analoger Trainer-Typ“, der vom Grundsatz her die konzentrierte Face-to-Face-Ausbildung bevorzugt, bot die Corona-Zeit die Möglichkeit, mich in die Materie einzuarbeiten und einige Aus- und Fortbildungen zu leiten. Wie jetzt in dieser außergewöhnlichen Zeit bietet dieses Medium natürlich optimale Bedingungen, unseren Qualifizierungsauftrag weiter zu erfüllen. Danach wird es sicherlich viele kombinierte Aus- und Fortbildungsmaßnahmen geben, um die Vorteile beider Möglichkeiten zu nutzen. Mit reinen digitalen Angeboten in „Normalzeiten“ kann ich mich nicht anfreunden. Die Hauptaufgaben der Trainer im Verein konzentrieren sich auf die Einheiten auf dem Platz und das Coachen während des Spiels. Dementsprechend muss sich nach meiner Meinung auch hauptsächlich dort die Aus- und Fortbildung abspielen.    

Foto: „Für mich als eher analoger Trainer-Typ bot die Corona-Zeit die Möglichkeit, mich in die Materie einzuarbeiten“: Verbandssportlehrer Heinz Jürgen Schlösser.