Erster Gesundheitskongress des SWFV und Sportbund Rheinhessen

27.09.2023
Gesundheitskongress, Bewegungskongress, Sportbund Rheinhessen

Twistbewegungen, Doppeleffekte, die altbekannte PECH-Regel und highway to hell - 1. Gesundheits- und Bewegungskongress des Südwestdeutschen Fußballverbandes und des Sportbundes Rheinhessen liefert Antworten zu Verletzungsprävention, Erster-Hilfe und richtigem Taping

 

„Gerade Erste Hilfe und Erstversorgung bei Verletzungen ist für viele Übungsleiter*innen und Trainer*innen ein nicht mehr wegzudenkendes Themenfeld. Mit diesem Kongress möchten wir allen Vereinsvertreter*innen niedrigschwellig Hilfestellungen an die Hand geben, um sicher agieren zu können." Mit diesen Worten eröffnete Thorsten Richter, Vorstand des Sportbundes Rheinhessen, den 1. Gesundheits- und Bewegungskongress und zeigte zugleich die Notwendigkeit auf. 

 

Über 80 Personen nahmen die kostenlose Qualifizierungsmöglichkeit der beiden Verbände am 23.09. auf dem Sportgelände des Mombacher Turnvereins in Mainz wahr. Gefördert wurde der Kongress vom Bundesministerium des Innern und für Heimat aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages. In vier Modulen konnten sich die Teilnehmer*innen über Verletzungsprävention, Dos & Don´ts bei Muskel- und Sprunggelenksverletzungen, Sportverletzungen im Knie oder typische Verletzungen im Kinder- und Jugendsport informieren. Darüber hinaus konnte das Anlegen von Stabilisierungsmaßnahmen erprobt und Erste-Hilfe-Maßnahmen im Sport an Puppen und Defibrillatoren geübt werden – alles, um im Notfall gerüstet zu sein. 

 

„Highway to hell eignet sich hervorragend als Rhythmus für die Herzdruckmassage“

„Wichtig ist, dass man ins Handeln kommt und nicht tatenlos zusieht, denn im Ernstfall entscheiden Sekunden", so Jan Huber. Der Notfallsanitäter kam auch selbst ins Handeln: Eigentlich als Teilnehmer angemeldet, bot Huber seine Unterstützung an, als die eigentliche Referentin der Björn-Steiger-Stiftung kurzfristig krankheitsbedingt ausgefallen ist. So wurde er kurzerhand vom Teilnehmer zum Referenten. In seinem Modul zeigte er allen Teilnehmenden praxisnah, worauf es bei der Wiederbelebung ankommt. „Es ist denkbar einfach, auch wenn es makaber klingt. Das Lied 'highway to hell' eignet sich hervorragend, um in den Rhythmus der Herzdruckmassage zu kommen," so Huber. Und so kamen auch nahezu alle Teilnehmer*innen dazu, selbst die Herzdruckmassage an sechs Reanimationspuppen zu üben. 

 

„Taping ist nicht gleich Taping“

Praxisnah ging es bei Jörg Hefft, dem Physiotherapeuten der Auswahlmannschaften des Südwestdeutschen Fußballverbandes, weiter. Die verschiedenen Tapingarten, wozu Taping eingesetzt werden kann (bspw. Stabilisierung, Muskelspannung und Muskelentspannung), Gründe für und gegen Taping sowie das eigene Ausprobieren standen in diesem Modul im Vordergrund. „Taping ist nicht gleich Taping – es kann zwar gut gemeint sein, aber falsch angewendet kann Taping auch dazu führen, dass Verletzungen nicht richtig stabilisiert werden. Dies geht zu Lasten der Verletzungsdauer", warnt der selbstständige Physiotherapeut vor blindem Aktionismus ohne profundes Wissen. „Wir können hier in 90 Minuten keinen Taping-Kurs ersetzen, aber haben erste Grundlagen für die Übungsleiter*innen gelegt und hoffentlich Lust auf mehr gemacht, um sich im Trainingsalltag sicher zu fühlen, aber auch weiter qualifizieren zu möchten", ordnet Hefft den Kurs als "Appetithäppchen" ein.

 

 

„Sprunggelenksverletzungen sind die häufigsten Sportverletzungen“

Appetit konnten sich die Teilnehmenden auch bei Dr. Patrick Belikan zur Verletzungsprävention holen. Der Facharzt für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin ist zugleich auch Lehrstabsmitglied des Südwestdeutschen Fußballverbandes. „Einfache Maßnahmen führen nicht nur im Leistungssport, sondern auch im Breitensport dazu, das Risiko zu minimieren und im Fall der Fälle schnell wieder ins Training einsteigen zu können“, so der Teamarzt der Nachwuchsmannschaften des 1. FSV Mainz 05. Sprunggelenksverletzungen sind dabei mit 15 Prozent die häufigsten Sportverletzungen. Präventiv kann hier insbesondere mit Balance Boards trainiert werden, welches das perfekte Training für das so anfällige Gelenk darstellt. Zur Vermeidung von Muskelverletzungen hingegen sollte sportartspezifisches Präventionstraining betrieben werden – es gilt, die richtigen Muskeln und Gelenke zu trainieren und etwaige Risikofaktoren zu kennen. Sollte es dann trotzdem zur Muskelverletzung kommen, gilt zunächst die wohlbekannte PECH-Regel (Pause – Eis – Compression – Hochlagern), ehe bei Heilungsprozess und Rückkehr in de Sport grundsätzlich auf Schmerzmittel und Cortison verzichtet werden sollte. „Es gibt sehr gute Alternativen von Vitaminen über homöopathische Mittel bis hin zu Taping und der fachlichen Zusammenarbeit mit einem Sportorthopäden. Vereine und Übungsleiter*innen können ihren Sportler*innen damit im Verletzungsfall bestmöglich helfen“, so der Sportmediziner. 

 

„Das beste Präventionsmittel ist eine polysportive Ausbildung“

Sportmedizin war auch im letzten Modul das Thema von Dr. Gregor Berrsche. Berrsche ist ebenfalls Facharzt für Orthopädie, Unfallchirurgie sowie Sportmedizin. Er referierte zunächst über Sportverletzungen im Knie, die insbesondere das vordere und hintere Kreuzband betreffen. Anschaulich und mit vielen Videos sowie stets aus der Brille der Übungsleiter*innen zeigte der Arzt der Volleyball Nationalmannschaft der Frauen auf, wie die Verletzungen entstehen, aber auch anschließend behandelt werden. „Wir setzen sehr stark auf eine biologische Heilung. Je weniger Schrauben, desto besser. Die Sportmedizin hat sich in den letzten Jahrzehnten gerade in diesem Bereich hervorragend weiterentwickelt.“ Neben dem Kreuzband ist aber auch der Meniskus oft betroffen. „Viele kennen sicherlich die Twistbewegung, bei der es zu maximalem Beugen oder Überstrecken bei der Drehbewegung nach innen und außen im Kniegelenk kommt. Dies ist ein klassischer Auslöser für Meniskusverletzungen“, gibt Berrsche den Übungsleiter*innen Hilfestellungen im Erkennen von Verletzungsmustern. Im letzten Teil des Moduls ging der Wahl-Heidelberger auf Verletzungen im Kinder- und Jugendsport ein. „Das beste Präventionsmittel für Sportverletzungen im Kindes- und Jugendalter ist eine polysportive Ausbildung mit früher Diversifizierung und später Spezialisierung. Dies mindert das Verletzungsrisiko nachweislich um 50 Prozent bei gleichzeitiger Leistungssteigerung um ebenfalls 50 Prozent. Dieser Doppeleffekt ist einmalig!“ Demnach ist es empfehlenswert, Kinder mit bis zu 12 Jahren sportartübergreifend und erst dann sportartspezifisch zu fördern.

 

„Ich freue mich, das Gelernte im Training umsetzen zu können“

Empfehlenswert fanden die Teilnehmer*innen auch den gesamten Kongress. „Am spannendsten war für mich das praxisnahe Modul im Bereich Erste-Hilfe-Maßnahmen. Vieles hat man natürlich schon häufig gehört, aber die Auffrischung dessen ist das A und O. Toll fand ich auch die Tipps und Empfehlungen der Ärzte für Präventionsmaßnahmen und dass man mit den vielen Handreichungen das Rad nicht immer neu erfinden muss. Alles in allem freue ich mich nun, das Gelernte im Training umsetzen zu können“, so Katie Scholl-Göttlinger, Übungsleiterin im Kinderturnen, stellvertretend fü rdie vielen Teilnehmer*innen.