Marleen Schimmer bei den San Diego Waves

30.04.2022
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Marleen Schimmer, Foto Kadlubowski

Das Jahr 2021 wird Marleen Schimmer wohl ewig in Erinnerung bleiben. Zunächst spielte die 21-jährige Mainzerin eine bockstarke Saison für die Grand Canyon Universität von Phoenix im US-Bundesstaat Arizona, dann folgte kurz vor Weihnachten der Draft, das Auswahlverfahren der Amateur- und Jugendspielerinnen für die National Women´s Soccer League.

Seitdem hat sich viel verändert im Leben der Stürmerin, die es 2018 vom TSV Schott Mainz in die USA zog und dort im Hauptfach Psychologie studierte. Denn bereits in der ersten Runde wurde Schimmer von den San Diego Waves ausgewählt und damit unter Vertrag gestellt. Damit geht für die ehrgeizige Deutsche ein Traum in Erfüllung, wie sie im Interview verrät:

Marleen, was war 2021 aus sportlicher Sicht für ein Jahr für dich?

Das letzte Jahr lief echt super und ich hätte es mir nicht besser vorstellen können. Fußballerisch wird das schwer zu toppen sein, denn mit 13 Toren und 14 Assists in 22 Spielen hatte ich eine recht erfolgreiche Saison. Ehrlich gesagt habe ich es einfach nur genossen und bin sehr glücklich darüber, wie es gelaufen ist.

Wie hast du die Zeit vor dem Draft erlebt?

Die Woche davor war ich einfach nur extrem nervös und angespannt. Da habe ich alle möglichen Szenarien in meinem Kopf durchgespielt, aber letztendlich kannst du das ja nicht beeinflussen, sondern musst einfach nur darauf hoffen, dass das Team, mit dem du dich die ganze Zeit unterhalten hast, dich auch nimmt.

„Meine Mutter hat vor Freude geweint“

Wo warst du als die Entscheidung gefallen ist und wie hast du das Ganze erlebt?

Ich war zwar daheim in Deutschland, konnte mich aber nicht wirklich entspannen. Das alles mit meiner Familie und meinem besten Freund auf der Couch zu erleben, die wichtigsten Menschen um mich zu haben und diesen besonderen Moment mit ihnen teilen zu können, war einfach nur richtig, richtig schön. Meine Mutter hat sogar vor Freude geweint und von mir ist eine ganz große Last abgefallen. Es hat sich angefühlt als hätte sich die ganze Arbeit endlich ausgezahlt.

Kannst du deine Freude denn mittlerweile besser in Worte fassen?

Die Tage danach konnte ich es immer noch nicht richtig begreifen. Mir haben so viele Leute geschrieben und gratuliert, gefühlt jeder hat sich gemeldet, auch ehemalige Mitspielerinnen aus den U-Nationalmannschaften. Darüber habe ich mich extrem gefreut und ehrlich gesagt kann ich es immer noch kaum glauben. Für mich geht ein Traum in Erfüllung und es war einfach nur ein wunderschöner Moment.

Was hast du als erstes gemacht, nachdem die Entscheidung da war?

Die erste Person, die ich angerufen habe, war mein Trainer. Ohne ihn und ohne die Mannschaft hätte ich es einfach nicht geschafft. Die Chemie und Stimmung im Team war einfach was ganz Besonders, das war Kicken mit Freunden, wie eine zweite Familie. Es war die beste Entscheidung von mir, dass ich nach zwei Jahren bei der Arizona State zur Grand Canyon Universität gewechselt bin.

Seit 2018 studierst du in den USA. Warum war eine Rückkehr nach Deutschland bislang keine Option für dich?

Ich habe mich hier von Anfang an sehr wohlgefühlt, weil ich gemerkt habe, dass ich hier ich selbst sein kann. Studium und Fußball auf diesem Niveau miteinander zu verbinden, dazu hat man in den USA einfach viel mehr Möglichkeiten. Ich liebe Amerika und fühle mich hier daheim, weshalb eine Rückkehr war für mich daher bislang keine Option. Natürlich gab es immer wieder auch Anfragen aus Deutschland, aber für mich war von Beginn an klar, dass ich hier in den USA professionell spielen will und meine Karriere hier fortsetzen möchte.

Was sind die Faktoren, die deiner Entwicklung letztlich so gutgetan haben?

Diese Art der Unterstützung und Möglichkeiten wie hier gibt es in Deutschland einfach nicht. Uni und Sport sind einfach perfekt aufeinander abgestimmt. Du trainierst morgens, gehst danach in die Uni und später wieder auf den Trainingsplatz. Wenn es Probleme gibt, setzt man sich konstruktiv zusammen und bespricht alles. Das Ausmaß, in dem hier Geld etwa in Infrastruktur wie Fitnessstudios oder Stadien investiert wird, das ist einfach eine Nummer größer. Letztlich bin ich hier den nächsten Schritt gegangen und habe mich athletisch extrem weiterentwickelt. Das wäre in Deutschland so einfach nicht möglich gewesen.

„Nächster Schritt in meiner Entwicklung“

Künftig gehst du für San Diego Waves auf Torejagd. Welche Ziele setzt du dir für 2022?

Es ist für mich eine absolute Ehre, für San Diego zu spielen. Der Klub ist komplett neu, hat mit Casey Stoney aber eine richtig gute Trainerin, die von Manchester United kam. Ich bin einfach nur überglücklich, dass ich dort gelandet bin. Das war von Anfang an mein Wunschziel, weil San Diego eine unglaublich schöne Stadt ist. Mein Ziel ist es, in der Liga anzukommen und den Sprung vom College in den professionellen Fußball zu schaffen. Dort wartet ein neues Level an Schnelligkeit und Intensität auf mich, an das ich mich gewöhnen muss. Da will ich einfach wieder den nächsten Schritt in meiner Entwicklung machen.

Mit Alex Morgan wurde zuletzt auch noch ein echter Superstar verpflichtet. Wie groß ist die Vorfreude mit so vielen Nationalspielerinnen in einem Team zu sein?

Die ist unglaublich groß. Ich freue mich einfach nur extrem, mich unter so erfahren Spielerinnen und der Trainerin weiterzuentwickeln. Da gilt es erstmal alles aufzunehmen und einen guten Eindruck zu hinterlassen.

Hältst du eine Rückkehr nach Deutschland denn überhaupt für möglich?

Das ist schwer zu sagen, denn man weiß nie was die Zukunft bringt. Ich fokussiere mich jetzt voll und ganz auf San Diego und will da reinfinden. Grundsätzlich kann ich mir schon vorstellen, irgendwann nach Deutschland zurückzukehren und da Bundesliga zu spielen, aber jetzt will ich erstmal meinen Weg in Amerika fortsetzen und im Profibereich ankommen.

Auch Laura Freigang hat in den USA wichtige Erfahrungen gemacht, ist mittlerweile eine feste Größe in der Nationalmannschaft…

Laura und ich haben ja zusammen bei Schott und in der Südwestauswahl gespielt. Ich habe ihren Werdegang immer verfolgt und war auch mit ihr im Austausch, bevor ich in die USA gegangen bin. Es ist eine absolut tolle Karriere, die sie hingelegt hat und was sie macht ist wirklich fantastisch.

A-Nationalmannschaft ein großes Ziel

Wie sieht es mit deinen Ambitionen in Richtung Nationalmannschaft aus?

Natürlich ist die A-Nationalmannschaft auch für mich ein großes Ziel, aber jetzt fokussiere ich mich voll und ganz auf San Diego. Ich schaue da vor allem auf mich, weil ich nur meine eigene Leistung beeinflussen kann. Alles andere kommt, wie es kommt. Wenn ich weiterhin richtig gute Leistungen bringe, dann bin ich davon überzeugt, dass der Rest dann von selbst kommt. Doch erstmal muss ich mich in ebendieses Spotlight reinspielen und dafür werde ich auch weiterhin extrem hart an mir arbeiten.

Text von Martin Imruck, aus SÜDWEST FUSSBALL, Ausgabe 1/2022