50 Jahre Frauenfußball: Bärbel Petzold im Gespräch

28.08.2020
Frauenfußball Wörrstadt

Seit 50 Jahren spielen Frauen unter dem Dach des Südwestdeutschen Fußballverbands Fußball. Bärbel Petzold hat die Zeit aus verschiedenen Perspektiven miterlebt. Als Spielerin, Betreuerin und ganz zentral als Vorsitzende des Frauen- und Mädchenausschusses im SWFV. Wir sprachen mit der 69 Jahre alten Alzeyerin über diese Ära. Aber auch über den Status quo und ihren unerschütterlichen Antrieb, in der Öffentlichkeit um Wahrnehmung und Gleichberechtigung der Fußball spielenden Frauen zu kämpfen.

 

Frau Petzold, 50 Jahre Frauenfußball im SWFV – ein Grund zum Feiern?

Ja. Einfach, weil wir Frauen uns feiern wollen. Und weil wir unseren Verband als Wiege des erfolgreichen Frauenfußballs sehen. Als Vorreiter, die aus einer eher intuitiven Bewegung eine Organisation formten, die den Frauen ermöglichte, ihrem Hobby strukturiert nachzugehen. Die geregelte Wettkampfmöglichkeiten schuf, die sie systematisch sportlich förderte. Hinzu kommt, dass wir in den zurückliegenden fünf Jahrzehnten mit TuS Wörrstadt, TuS Niederkirchen und dem SC Bad Neuenahr drei Deutsche Meister stellten. Für ein Land unserer Größenordnung eine vergleichsweise hohe Quote.

 

Sorry, Bad Neuenahr gehört dem FV Rheinland an?

Stimmt, für mich ist das eine Einheit. Ich ticke, auch wegen meiner Funktion auf Ebene des Regionalverbands, in der rheinland-pfälzischen Kategorie. Formal haben Sie aber natürlich recht.

 

Wo steht denn der Frauenfußball im SWFV heute im Vergleich zu den anderen Landesverbänden?

Ich sage mal, von der Struktur her bundesweit im oberen Drittel. Auch in Anbetracht dessen, was wir an Maßnahmen und Förderung für den Frauen- und Mädchenfußball umgesetzt haben. Was uns ein bisschen fehlt, ist ein Erstligist.

Bundesliga-Perspektive

Warum?

Weil wir unsere Talente gerne im Land behalten möchten. Die Besten zieht es derzeit zur TSG Hoffenheim, Eintracht Frankfurt und zum SC Freiburg, wo sie Bundesliga spielen können. Immerhin verfügen wir zur neuen Saison mit dem FFC Niederkirchen wieder über einen Zweitligisten, worüber wir uns sehr freuen. Talente haben wir indes sehr viele, wenn man in die Stützpunkte schaut. Ihnen mittelfristig eine Bundesliga-Perspektive im SWFV bieten zu können, wäre sehr wünschenswert.

 

War früher alles besser?

Nein, bestimmt nicht. Heute ist besser, dass die Frauen und Mädchen ihren Fähigkeiten entsprechend Fußball spielen können. Die Einführung eines geregelten mehrklassigen Meisterschaftsbetriebs, der die früher vorherrschenden Turniere ablöste, bedeutet nicht nur, dass die Mannschaften in sich leistungshomogener geworden sind. Sie konkurrieren nunmehr auch mit Teams auf vergleichbaren Leistungsniveaus. 

 

Sie sagten, der SWFV sei einer der Protagonisten des Frauenfußballs in Deutschland – und damit ja auch weltweit. Woran machen Sie das fest?

TuS Wörrstadt wurde nicht zufällig erster Deutscher Meister in der Geschichte des Frauenfußballs. Dass wir während dieser Erfolgsjahre von TuS das DFB-Pokal-Finale erreichten, unterstreicht gleichfalls das damals hohe Niveau. Und das nicht punktuell in Wörrstadt, wie die weitere Geschichte demonstriert. Mit dem SC Bad Neuenahr trat ein weiterer rheinland-pfälzischer Verein die unmittelbare Nachfolge von TuS Wörrstadt als einer der erfolgreichsten Klubs von Deutschland an. Auch die deutsche Meisterschaft des TuS Niederkirchen ist Ausdruck der sehr hohen Qualität, über die der Frauenfußball im SWFV seinerzeit verfügte. Wir haben traditionell sehr gute Auswahlmannschaften. Und die Einführung von Verbandsvergleichen zwischen SWFV, Rheinland und dem Saarland war ein wegweisendes Pilotprojekt.

 

Gab es aus Ihrer Sicht Meilensteine in der Entwicklung des Frauenfußballs im SWFV?

Auf jeden Fall mehrere. Neben den Sportlichen waren zwei Strukturreformen im Verband wichtig. Die erste, dass die ursprüngliche Position der Frauenwartin Anfang der 80er Jahre durch die Einführung eines Ausschusses für Frauen erweitert wurde. Und zum Zweiten, dass der seit diesem Jahrtausend auch die Mädchen betreut. Vorher waren sie an den Bereich der Jugend angedockt.  Es war ein harter Kampf, die Zuständigkeiten zu verändern. Aber es hat sich wirklich gelohnt.

Das Quentchen Glück

Wieso spielte der SWFV eine so prominente Rolle damals?

Das hatte viele Gründe. Im Fall von TuS Wörrstadt war es die Nähe zu Mainz mit seiner Universität und dem dortigen Sportinstitut. Ein Großteil unserer Mannschaft in den 70er Jahren bestand aus leistungsorientierten Sportstudentinnen. Und dann engagierte sich Fips Scheidt ungemein, um uns bekanntzumachen. Wir waren international unterwegs, gewannen zweimal das renommierte Turnier in Bad Neuenahr. TuS Wörrstadt genoss sehr große Popularität, der Verein war im Frauenfußball-Kreisen hipp. Das trug dazu bei, dass sich uns starke Spielerinnen, teils sogar aus dem Ausland, anschlossen. En Detail geplant war das seinerzeit nicht. Wir hatten auch das nötige Quäntchen Glück dazu, ohne das es nicht geht.

 

War Fips Scheidt der Uli Hoeneß von TuS Wörrstadt?

Ein netter Vergleich. Ja, er hat unglaublich viel in Bewegung gebracht. Er hatte in vielerlei Hinsicht die Zeichen der Zeit erkannt. Die Aufbruchsstimmung, die sich zu der Zeit im Frauenfußball breitmachte. Das Bewusstsein, wie wichtig das Klappern fürs Handwerk ist. Und dann die Haltung, dass sich die Klubs sportlich Konkurrenz machen, aber in Sachen Entwicklung des Frauenfußballs an einem Strang ziehen sollten. TuS Niederkirchen hatte mit Bernd Semmler einen ähnlichen Charakter in seinen Reihen, der sich sehr um den Frauenfußball verdient machte. Und in Bad Neuenahr engagierte sich HG Hansen prägend. Scheidt und Hansen konnten gut miteinander. Sie haben gemeinsam viel auf den Weg gebracht – auch was die Entwicklung des Frauenfußballs im Deutschen Fußball-Bund anbelangt. 

 

Wer waren denn aus Ihrer Sicht die prägenden Persönlichkeiten auf dem Feld?

Am bekanntesten ist natürlich Bärbel Wohlleben, da sie als erste Torschützin des Monats in der Geschichte des Fußballs ausgezeichnet wurde. Ältere kennen wahrscheinlich auch Uschi Demler aus Albig. Sie war der Inbegriff dessen, was heute als „Torfabrik“ bezeichnet wird. Für sie kam die Einführung der Nationalmannschaft leider etwas zu spät, sonst wäre sie sicher Nationalspielerin geworden. In den ersten Jahren des organisierten Frauenfußballs stachen Ute Scherer und Gudrun Müssig-Rebholz hervor. Das waren die Heros in der Anfangszeit. Nicht zu vergessen Heidi Mohr und Patricia Brocker, die beiden Nationalspielerinnen. Und natürlich Anne Haarbach-Trabant, die später mit Bergisch-Gladbach Erfolge ohne Ende feierte.

 

Und Highlights in den 50 Jahren?

Auf jeden Fall das erste Länderspiel in Koblenz. Das war damals gegen die Schweiz. 5:1 siegten die DFB-Elf seinerzeit. Ich denke, dass es ausgerechnet in Koblenz und damit in Rheinland-Pfalz ausgetragen wurde, war auch ein Signal an des Deutschen Fußball-Bundes an uns. Ein Dankeschön für die Pionierarbeit, die wir im Frauenfußball leisteten.

Steigende Popularität

Aus der jüngeren Geschichte?

An der haben stetig mehr Vereine mitgeschrieben. Zum Beispiel die DSG Breitenthal aus dem Hunsrück. Dort wurde die Idee des Frauenfußballvereins von und für Frauen gelebt, als noch keiner an die später populär gewordenen FFCs dachte. Da ist der SC Siegelbach, der über Jahrzehnte hinweg konstant die vierte Kraft in Rheinland-Pfalz war. Oder der FV Speyer, der herausragende Jugendarbeit leistet. Oder der TSV Schott Mainz, der sich seit einigen Jahren sehr verdient um die Förderung des Mädchen- und Frauenfußballs macht. Sein Durchmarsch in die zweite Liga und die Präsenz in der Jugend-Bundesliga waren auch Ausdruck der steigenden Popularität des Frauenfußballs in Deutschland. Leider stehen dort nicht mehr die finanziellen Mittel zur Verfügung, um dieses hohe Niveau zu halten.

 

Glauben Sie, der Frauenfußball hat seinen Zenit überschritten?

Bitte?! Nein, mit Sicherheit nicht. Das ist noch viel Luft nach oben. Aber das zu entwickeln, wird die Aufgabe der nächsten Generation sein. Der müssen wir ja auch noch eine Aufgabe hinterlassen.

 

Ein bisschen konkreter könnten Sie trotzdem werden …

Beispielsweise müssten sich mehr Frauen im Sport engagieren. Sie sind in den Vorständen gegenüber den Männern immer noch deutlich unterrepräsentiert, was sich letztlich in reduziertem Einfluss auf die Sportentwicklung niederschlägt. Wir könnten aber auch noch viel mehr Trainerinnen brauchen. Und dann müsste daran gearbeitet werden, dass der Frauenfußball mehr Wertschätzung bekommt. Es kann doch nicht sein, wie jüngst, dass im Fernsehen die Übertragung vom DFB-Pokalfinale der Frauen Knall auf Fall beendet wird, damit lapidare Vorberichte übers Männer-Finale gezeigt werden kann. Da haben sich viele Menschen bei den Medien beschwert, was mich sehr freute. Aber unter dieser Ignoranz leidet der Frauensport insgesamt. Da muss sich dringend viel ändern.

 

Text: Claus Rosenberg

Foto oben: „Generationen-Treff“: Das aktuelle Team von TuS Wörrstadt mit Trainerin Jessica Wissmann feiert mit der „alten Garde“ um Birgitt Mayer, Maria Breuer, Uschi Demler, Carla Rode, Heidi Ellmer, Bärbel Petzold und Ulrike Manewal (hinten von rechts). Foto: privat

Foto unten: Hat den Frauenfußball im Südwesten aus verschiedenen Perspektiven miterlebt: Bärbel Petzold, Vorsitzende des Frauen- und Mädchenausschusses im SWFV. Foto: Herrmann

Bärbel Petzold