SWFV-Magazin: Pfälzer Fußball-Flagschiff fährt Schlagseite

17.12.2020
Jeff Saibene, Foto: GettyImages

Aus: SÜDWEST FUSSBALL, Ausgabe 2/2020

Text: Christian Schreider

Das Pfälzer Fußball-Flagschiff fährt weiter Schlagseite. Finanziell ist zwar endlich Land in Sicht beim 1. FC Kaiserslautern. Sportlich aber hat der dritte Fehlstart in die 3.Liga den angepeilten Wiederaufstieg wieder mal in weite Ferne gerückt – was sowohl die Mentalitäts- als auch die Qualitätsfrage stellt.

Sommerneuzugang Marlon Ritter sinnierte „vielleicht sind wir doch schlechter, als wir denken“ nach dem enttäuschenden 1:1 gegen Mit-Kellerkind Magdeburg – und wurde prompt von Team und Trainer Jeff Saibene relativiert. Schmerzlicher als die Fragezeichen hinter der Qualität sind indes jene hinter der Mentalität. Wobei das aktuelle Team nicht das erste der vergangenen Jahre ist, das Zweifel weckt in Sachen emotionaler Eignung für die Kampfzone Betzenberg. Die Trainer Frontzeck, Hildmann und Schommers schasste unterm Strich immer die Mannschaft, ausgelöst durch heftige Herbst-Klatschen in Unterhaching (2018), Meppen (2019) und München (2020) – wobei die Einschläge jede Saison früher kamen, diesmal schon am zweiten Spieltag. Nachhaltig besser wurde es nie – was die Frage immer lauter werden lässt, ob das zentrale Problem des 1. FCK nicht vielleicht das der Personalauswahl für den Profikader ist.

Trainer Saibene fehlt der „letzte Wille“

Offenkundig wird die jahrzehntelang fürs Fritz-Walter-Stadion unstrittige Eignungsvoraussetzung „voller Einsatz, volle Leidenschaft“ seit einiger Zeit im Einstellungsverfahren nicht mehr genau genug unter die Lupe genommen. Mindestens jedenfalls fehlt seit längerem die richtige Mischung in der Mannschaft, fehlen ganz offensichtlich hinreichend bissige Leitwölfe und die nicht minder hungrigen Jungtiere. Wie anders jedenfalls lässt sich erklären, dass man im wichtigsten Spiel des Jahres, dem Heim-Derby gegen Erzrivale SV Waldhof, die erste Halbzeit im vollständigen Tiefschlaf verbringt? Welche andere Truppe in der ruhmreichen Geschichte des FCK hätte eine Halbzeitpredigt des Trainers gebraucht, um gegen Mannheim Vollgas zu geben? Keine zwei Wochen nach dem 1:1 folgte ein sogar durchgängig müder Auftritt in Meppen, was FCK-Beiratsvorsitzender Markus Merk als „Kaffeefahrt ins Emsland“ brandmarkte. Und nach den diversen Unentschieden des Spätherbstes stöhnte der Trainer, ihm fehle „der letzte Wille“ – vor allem beim Verwerten der bisweilen durchaus zahlreich vorhandenen Torchancen. Und hatte sich die Mannschaft gegen Mannheim wenigstens gesteigert, ging’s ansonsten oft andersrum: Leistungsabfälle, je länger die jeweiligen 90 Minuten dauerten. Unkonzentrierter, ungenauer, fahriger – das galt vor allem auch bei Gegentoren nach Standardsituationen, die das Team immer wieder viel zu schlecht verteidigte.

Insolvenzplan einstimmig angenommen

Besser verteidigt, dies indes durch die Vereinsführung, wurde indes die drohende Insolvenz des 1. FCK. Ende Oktober wurde auf der Gläubigerversammlung der vom FCK erstellte Insolvenzplan einstimmig angenommen – was ohne Altverbindlichkeiten die Chance auf einen grundlegenden wirtschaftlichen Neustart für die Roten Teufel bringt. Der hoch verschuldete FCK hatte Mitte Juni die günstigen Rahmenbedingungen in Folge der Coronakrise genutzt und Insolvenz angemeldet – was eben ausnahmsweise keine sportlichen Konsequenzen zeitigte, da der Deutsche Fußball-Bund den üblichen Punktabzug ausgesetzt hatte. Nun will sich Markus Merk gemeinsam mit den Investoren – der aus fünf regionalen Unternehmern bestehende Investorengruppe Saar-Pfalz-Invest GmbH – „engagiert konzentrieren auf die kurz-, mittel- und langfristigen Ziele des FCK“ – die indes nur mit einer ebenso engagierten Mannschaft erreicht werden können.