Die Erlösung für den großen Kämpfer

31.01.2022
Patrick Wirth

Die pfälzische Fußball-Familie trauert um Patrick Wirth. Der einstige Südwestauswahlspieler ist nur 36 Jahre alt geworden. Mit 22 ist er an ALS erkrankt und jetzt nach einem Leidensmarathon erlöst worden. Seine Lebensgeschichte konnte eine Erfolgsgeschichte werden. Es wurde ein Trauerspiel.

 

Patrick Wirth ist auf dem Weg zum Profi, als ihn eine unheilbare Krankheit stoppt – ALS. „Er ist erlöst …“, sagen seine Eltern. Wenn es einen Trost in ihrer tiefen Trauer gibt, dann ist es die Erlösung. Sie haben einen wunderbaren Jungen verloren, der nur eins wollte: Fußball-Profi werden! 

 

In Frankenthal geboren, begann Patrick beim ASV Mörsch mit dem Fußball. Papa Klaus-Dieter war sein Trainer. Dem Ziel Fußball-Profi zu werden, ordnete Patrick alles in seinem jungen Leben unter. Er lebte mit großer Disziplin für seinen Traum. Dann der Alptraum - mit 22 ist auf einmal alles vorbei. Der junge Fußballer wurde schwer krank, die ersten Befürchtungen wurden bald schreckliche Wahrheit: ALS –  Amytrophe Lateralsklerose. Bei dieser degenerativen Erkrankung des motorischen Nervensystems kommt es zu einer fortschreitenden, irrreversiblen Schädigung der Nervenzellen. Die Krankheit ist unheilbar!  

 

Leidenschaftlicher Fußballer mit großem Kämpferherz

Patrick Wirth, ein leidenschaftlicher Fußballer mit großem Kämpferherz, hat gekämpft, um wieder gesund zu werden. „Ich will noch nicht sterben“, lässt er verlauten, als er schon an den Rollstuhl gefesselt ist. Die Hoffnung, doch wieder gesund zu werden, treibt ihn trotz allem an: Die Stimmbänder sind gelähmt, er wird künstlich beatmet und ernährt. Am Sonntag vor acht Tagen ist er in einer Mannheimer Pflegeeinrichtung gestorben. Er ist nur 36 Jahre alt geworden, die letzten 14 Jahre waren ein Martyrium  für ihn und seine Familie. 

 

Das Talent Wirths wurde früh erkannt. Der FCK rief – Patricks große Fußball-Liebe. „Patrick war physisch sehr stark, ein typischer Sechser. Er wollte unbedingt Profi werden, er hat sehr fokussiert auf dieses Ziel hin gearbeitet“, beschreibt Verbandssportlehrer Heinz-Jürgen Schlösser den ehrgeizigen Fußballer, den er in die Südwestauswahl berufen hatte. Schlösser hatte Patrick nie vergessen, zwei- dreimal im Jahr hat er ihn bis zuletzt besucht. „Der Junge hat uns so viel Freude gemacht. Patrick hatte nur eine Schwäche: Er hatte keine Geduld“, schildert Klaus-Dieter Wirth den großen Ehrgeiz seines Jungen.  

 

Beim 1. FC Kaiserslautern reifte Patrick Wirth heran: U17, U19, dann zweite Mannschaft. Der blonde Junge auf dem Weg nach oben, dem Traum so nah! Dass er seine Leistungen nicht mehr konstant abrufen konnte, den eigenen Erwartungen auch nach den Wechsel 2006 im Dress des FSV Oggersheim, 2007 beim SC Hauenstein und 2008 beim TuS Altleiningen nicht mehr gerecht werden konnte, quälte ihn und erklärte sich rasch: Patrick Wirth war krank, schwer krank. Er wurde nie wieder gesund.  

 

Sein Vater Klaus-Dieter Wirth war zuerst Patricks Trainer in Mörsch, später der Chauffeur, der ihn nach Kaiserslautern zum Training und zu den Spielen fuhr. Er berichtete einmal, wie die Krankheit von einem auf den Tag alles veränderte: Patrick versuchte morgens aufzustehen, er konnte den Kopf nicht mehr drehen. Der Vater brachte ihn sofort ins Krankenhaus. Drei Monate später wog der Modellathlet nur noch 51 Kilogramm.

 

„Patrick sagte nur: Das ist Schicksal. Aber wie es in ihm wirklich aussah, weiß niemand“, sagt Birgit Wirth, Patricks Mutter. Mit dem ihm eigenen eisernen Willen hatte sich der schwer kranke Fußballer bald antrainiert, mit den Zehen auf dem Handy schreiben zu können – die einzige Möglichkeit für ihn, zu kommunizieren. Um einen Sprachcomputer und weitere Behandlungen für seinen besten Freund zu finanzieren hatte Patrick Wittich mit Axel Roos, dem treuen Meisterspieler des FCK, 2010 in der Soccer-Halle in Kaiserslautern ein Benefiz-Turnier organisiert. Die Lotto-Elf mit Stars wie Stefan Kuntz, Ratinho, Roger Lutz,  Wojtek Czyz und Dariusz Wosz trat an. 54-Weltmeister Horst Eckel coachte die Lotto-Elf, strich Patrick Wirth über die Haare. Seine herzlichen Worte - „Moi Busche …“ – taten so gut. Die „Pälzer Ausles“ trat an,  ehemalige Mitspieler liefen im Team „Patty & Friends“ auf, bisherige Arbeitskollegen von Drahtzug Stein standen für den gelernten Industrieanlagenmechaniker Spalier. 25.000 Euro kamen zusammen. Patrick Wittich verlas einen Dankestext, den der schwer kranke Freund mit den Zehen getippt hatte: „Ich erlebe grade, wie wichtig und schön es ist, wenn man von allen Seiten Hilfe und Unterstützung  bekommt. Dafür bin ich euch allen sehr dankbar.“ Unfassbare emotionale Momente! Klaus-Dieter Wirth erinnert sich gerne an den Tag, den Patrick genießen durfte. Er hatte noch Hoffnung, wieder gesund zu werden. „Stefan Kuntz war auch sehr nett, sehr freundlich zu uns“, sagt Wirth beim Blick zurück. Eine besondere Bezugsperson für Patrick Wirth beim FCK war der damalige Fußball-Abteilungsleiter Rudi Merk. „Er hat Patrick immer mal wieder in den Arm genommen, ihm Mut gemacht“, erinnert sich Vater Wirth dankbar.

 

"Patrick war ein Kämpfer. Er hat lange gekämpft"

Patrick Wirth kämpfte. Professor Dr. Tim Meyer, der Arzt der Nationalmannschaft, nahm sich seiner an. Dessen Hoffnung, dass es nicht ALS sei, sondern die heilbare Multifokale Motorische Neuropathie (NMN), erfüllte sich nicht. „Patrick war ein Kämpfer. Er hat lange gekämpft“, sagen Birgit und Klaus-Dieter Wirth. Die Eltern haben ihn, so lange es nur irgend ging, daheim gepflegt. „Ich möchte später, wenn ich gesund  bin, anderen Menschen helfen“, hat Patrick einmal geschrieben, als die Zehen noch mitspielten. Er wollte eine Umschulung angehen, Fitnesstrainer werden. „Er war dann von Kopf bis Fuß gelähmt“, schildert Birgit Wirth den immer dramatischer werdenden Leidensweg, die totale Sprachlosigkeit, die komplette Isolation.

 

Jeden Sonntag haben die Eltern ihren Patrick in Mannheim in der Pflegeeinrichtung, wo er zuletzt lebte, besucht. „Wir wissen nicht, was er dann noch wahrnehmen konnte, fühlte, spürte …“, sagt die Mutter. Als die Eltern am Sonntag, 23. Januar, kamen, war der lange Leidensweg zu Ende. Patrick ist um 9.45 Uhr gestorben. „Er ist erlöst“, sagt sein Papa. Die Eltern bitten, keine Kränze und Blumen zu schicken. Das ist bei der Urnenbestattung nicht möglich. 
 

Fotos: VIEW
Text: Horst Konzok (SWFV-Öffentlichkeitsausschuss)