"Schatte" beweist, dass er's noch drauf hat

09.01.2021

Daniel Schattner zählte vier Jahre lang zu den herausragenden Spielern des Fußball-A-Ligisten SV Weisenheim. Mit seinem Wechsel nach Speyer endete diese Zeit. In der Jugend spielt er bei Mainz 05 und erzählt, wie seine Mannschaft Trainer Thomas Tuchel auf die Palme brachte.  

 

Ab den 1970er und 1980er Jahren waren Fußball-Sammelalben der große Renner. Sie erschienen zu Welt- und Europameisterschaften. Dabei konnte man in Tütchen Abziehbilder von Nationalspielern kaufen und im Album auf den jeweiligen Seiten der einzelnen Ländermannschaften einkleben. Während bei den Favoriten Bilder des gesamten Teams gesammelt werden konnten, gab es bei den Außenseitern nur Platz für die zwei, drei wichtigsten und bedeutendsten Spieler.

 

Wäre der SV Weisenheim in einem solchen Album vertreten und es könnten nur wenige Bildchen eingeklebt werden, dann wäre einer mit Sicherheit dabei: Daniel Schattner. Der 28-jährige Mittelfeldspieler zählte zu den bekanntesten Akteuren im blau-roten Dress, war Leistungsträger und hatte eine respektable Vergangenheit, in der er in der A- und B-Junioren-Bundesliga sowie bei mehreren Oberligavereinen Akzente setzte. Beim SVW hat man sich daran gewöhnen müssen, dass Schattner nach der wegen der Corona-Pandemie abgebrochenen Saison nicht mehr zum Kader zählte. „Ich bin 28, da kann und will ich noch einmal in einer höheren Liga angreifen“, erklärte der spielstarke Schattner seinen Transfer zum FC Speyer 09.

 

Tür für Rückkehr ist immer offen

Während bei anderen Klubs der Wechsel eines Schlüsselspielers Missstimmung hervorruft oder zu einer erheblichen Verschnupfung führt, war Schattner in Weisenheim keiner ernsthaft böse, weil alles sauber abgelaufen ist. „Zuerst habe ich Uwe Koob über meine Pläne informiert“, sagt der Mittelfeldspieler. Vorsitzender Koob ist nicht nur der Vereinschef, sondern auch sein Patenonkel. „Es ist absolut in Ordnung, wenn es Daniel noch einmal höherklassig probieren will“, betonte Koob. Die Tür für eine Rückkehr sei immer offen. Das weiß Daniel Schattner auch, und es würde sehr überraschen, wenn er nicht irgendwann wieder für Weisenheim auflaufen würde. „Der SVW ist meine Heimat“, verdeutlicht der gelernte Bürokaufmann, der bei den Stadtwerken Speyer arbeitet.

 

Der Begriff Heimat trifft bei ihm wirklich zu. „Gegenüber dem Sportplatz bin ich aufgewachsen, mein ehemaliger Mitspieler Timo Konietzka hat in derselben Straße gewohnt. Mit anderen war ich in der Grundschule“, erinnert sich Schattner. Noch heute ist fast die gesamte Familie im Verein engagiert und bekleidet einen Posten. Klar, dass der kleine Daniel schon bei den Bambini für den SVW spielte und viele Jahre ein abschlussstarker Stürmer war. Nach einem Kurzgastspiel beim VfR Grünstadt startete der talentierte Angreifer richtig durch. Mit den gleichaltrigen Weisenheimern Dennis Lang und Markus Schmitt ging es im zweiten D-Junioren-Jahr zum 1. FC Kaiserslautern.

 

„Tuchel ist ein witziger Typ“

Die nächste Station war der FSV Mainz 05, wo Schattner mit den B- und A-Junioren in der Bundesliga spielte. Da war ein gewisser Thomas Tuchel sein Trainer. „Das ist ein Fußballverrückter, der jede Sekunde an Fußball gedacht und viel von uns verlangt hat. Ansprache, Motivation, Spielvorbereitung – das war alles super. Er ist aber auch ein genialer Stratege und witziger Typ“, lobt der Offensivmann seinen früheren Coach. Wie Tuchel tickt, zeigt folgende Geschichtet: „Wir waren vom Vortag noch kaputt und machten Passübungen, bei denen lange Bälle geschlagen werden mussten. Das gelang nicht besonders gut, kaum ein Zuspiel kam an“, erzählt Schattner. Dies erzürnte Tuchel, und er verdonnerte das Team zu einer 45-minütigen Laufeinheit. Der Coach nahm sich den Ball und schlug mit rechts wie mit links einen exakten Pass nach dem anderen. „Wenn ich das in meinem Alter kann, müsst ihr das auch können“, gibt Schattner die Worte des heutigen Trainers von Paris St. Germain wieder. Als Monate später klar war, dass Tuchel das Bundesligateam übernehmen würde, habe auf der Rückfahrt vom Trainingslager der A-Junioren eine merkwürdige und gedrückte Stimmung geherrscht.

 

Zusammenprall mit Willi Orban

Daniel Schattner zog nach einem Kurzgastspiel beim SV Wehen Wiesbaden und dem Ende seiner Juniorenzeit weiter zum Oberligisten SC Hauenstein. „Da hatten wir eine super Truppe, die fußballerisch stark war und immer um den Aufstieg gespielt hat“, schwärmt der Weisenheimer von einer tollen Zeit. Ein Jahr beim SC Idar-Oberstein, mit dem „Schatte“ – so ist sein Spitzname – aus der Oberliga abstieg, folgte eine Spielzeit bei der TSG Pfeddersheim. Dies bot sich an, weil er damals in Worms arbeitete. „Immer wieder warfen mich Verletzungen am Knie zurück, später wurde ich an der Leiste operiert und es gab muskuläre Probleme“, nennt Schattner Gründe, warum er sich mit 24 vorläufig aus der Oberliga verabschiedete. Schon in der Jugend hatte er beim FCK nach einem Zusammenprall mit dem heutigen Leipziger Willi Orban zwei Zähne verloren und hat seitdem Implantate.

 

2016 ließ der FCK-Fan, der den spanischen Ex-Nationalspieler Fernando Torres als Vorbild bezeichnet, Optionen verstreichen, in der Verbands- oder Landesliga zu spielen. Er entschied sich für den SV Weisenheim, wo er vier wechselvolle Jahre mit Pokalsieg, Bezirksliga-Aufstieg, dem direkten Abstieg bis hin zum erneuten Aufstieg in der abgebrochenen Saison 2019/20 erlebte. Dass der Mittelfeldspieler seit zwei Jahren in Freinsheim lebt, nimmt man ihm in der Heimatgemeinde nicht übel. „Ich sage immer, ich wohne in Erpolzheim-Nord“, sagt Schattner und lacht.

 

Günther Golfier, Oliver Lahni, Frank Lieberknecht und Sebastian Dumont waren seine Trainer. „Das sind ganz unterschiedliche Typen, jeder ist auf seine Art gut. Was der Vollblutfußballer Günther Golfier in seinem Alter leistet, ist unglaublich“, würdigt Schattner den 78-jährigen Coach. Golfier streicht die großen Fähigkeiten des SVW-Eigengewächses heraus, das sich einen großen Stellenwert erarbeitet hat: „Ein wertvoller Spieler, der mit seiner individuellen Klasse Spiele entscheiden konnte, immer zu einer besonderen Aktion in der Lage war.“

 

In der aktuellen Saison spielt Schattner mit dem FC Speyer 09 wieder in der Oberliga und beweist, dass er die Liga immer noch drauf hat.

 

Text erschienen im SÜDWEST-FUSSBALL (Ausgabe 2/2020) von Thomas Leimert

Foto: Moray